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Da wir die Heimatgeschichte nicht neu erfinden wollen und können, bedienen wir uns frei aus den Ausführungen
des Gerd Viebahn, unseres ehem. Schriftwartes.
Veröffentlicht in dem Buch: |
100 Jahre Turngemeinde Westhofen |
Herausgeber: |
TG Westhofen 1883 e. V. |
Redaktion: |
Willi Wachholz |
Bilder zur Geschichte unserer Heimat
1. Urgeschichte
2.
Die Zeit der Kelten, Germanen und Römer
3. Die Sigiburg
und der Sachsenkrieg
4. Der Reichshof
Westhofen bis 1300
5. Der Reichshof
Westhofen nach 1300
6.
Das Amt in der preußischen Provinz Westfalen
Zusammenfassung der wichtigsten
Daten und Ereignisse
1. Urgeschichte
Der Name „Westhofen" entstand vor ungefähr 12 Jahrhunderten.
Die ältesten Spuren menschlichen Wirkens im Bereich unserer engeren
Heimat könnten vielleicht schon 12 Jahrtausende alt sein. Doch wenn
wir uns mit den steinernen Fundstücken befassen, deren zeitliche Einordnung
sicher ist, erkennen wir ein Alter von 4 bis 6 Jahrtausenden. Mit der Jungsteinzeit
war die Zeit der sesshaften Lebensweise und der bäuerlichen Zivilisation
angebrochen. Menschen, die den meisten heutigen Europäern bereits recht ähnlich
waren, blieben in ihren Siedlungen jeweils so lange, wie der Boden sie ernähren
konnte. Sie hielten als Haustiere Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, sie
kannten den vierrädrigen Wagen und den Pflug, Zugtiere sowie kleine
Herden. Es gab auch einige Gewerbe. Als Jungsteinzeit werden vorrangig die
letzten Jahrtausende der auf rund 600000 Jahre bemessenen Steinzeit bezeichnet
(ca. 4000 bis 2000 vor Chr.). Sie war die „Zeit der Keramik und der
Steinwerkzeuge".
Menschen verschiedener Kulturgemeinschaften besiedelten große Teile
Europas. Die Bandkeramiker des donauländischen Kulturkreises stießen
in ihren nördlichsten Ausläufern bis zur Lippe vor. Ihre bandförmigen
Verzierungen der Gefäße begründen diesen Namen. (An der Wende
zur späteren Bronzezeit breitete sich in Mitteldeutschland die Kultur
der Schnurkeramiker gleichzeitig mit der von Norden kommenden Kultur der
Streitaxtleute aus.)
Im Bereich unserer weiteren Heimat, nördlich und südlich der Ruhr,
konnten Funde von bearbeiteten Steinen gemacht werden, die in jener Zeit
als Werkzeuge, Waffen und in einigen Fällen vielleicht als Schmuck verwendet
worden waren. Einige Fundstücke werden dem westlichen Kulturkreis, andere
dem norddeutschen Kulturkreis zugeordnet, besonders häufig ist jedoch
die Rössener Kultur vertreten, die den Bandkeramikern des Südostens
nahe stand. Hier gibt der Ort des ältesten Fundes den Namen für
Stücke, welche auch in Westhofens Umkreis mehrfach ausgegraben wurden.
Die Zuordnung ist nicht immer leicht.
Unter den jungsteinzeitlichen Funden fällt hervorragend die durchsichtige
gelblich-braune schön geformte Pfeilspitze aus Feuerstein auf (Abb.
1). Diese Wandhofener „Dornpfeilspitze" wurde 1935 auf dem Kreinberg
gefunden.
Zu den Feuersteinwerkzeugen
gehört der erst 1982 gefundene hellbraune Schaber aus Flint (Abb.
2), der am „Luhasen" oberhalb der „Ackersbecke" gelegen hat.
Besonders erwähnt seien auch das vor wenigen Jahren oberhalb
dieser Ackersbecke gefundene große Steinbeil aus Diabas (Abb.
3) und das Bruchstück eines Keiles aus dem Siepen. |
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Aus der Ackersbecke stammt auch das Schneidenstück des so genannten „Schuhleistenkeiles" (Abb.
4). Es besteht aus Felsgestein und wird bandkeramischen Kulturen zugeordnet.
Abb. 4 (12 cm) und Abb. 4a Draufsicht
Abb. 5 (9cm lang)
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Auf dem Westhofener „Spickersberg" (Speckberg)
hat der Boden jahrtausendelang ein kleines Beil aus Diabas-Felsgestein
verborgen (Abb. 5).
Weitere Feuerstein-Pfeilspitzen aus Wandhofen, Holzen und vom Garenfelder
Ruhrtal werden der Rössen- bzw. der Becher-Kultur zugeschrieben.
Die blattförmige Pfeilspitze aus Wandhofen, Vor der Höh'
(Abb. 6, gef. 1935), ist weiß-grau wie die Dornpfeilspitze
vom Kreinberg (Abb. 7, gef. 1936). |
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Abb. 6 (5,5 cm) |
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Abb. 7 (2,9 cm) |
Eine ausdrucksstarke Arbeitsaxt aus Felsgestein der donauländischen
Rössen-Kultur gab 1935 der Sommerberg frei (Abb. 8). In Garenfeld
lag die Beilschneide aus Rijkholt-Feuerstein, ein Importstück aus
dem westeuropäischen Bergbau (Abb. 9), die im 3. Jahrtausend vor
der Zeitrechnung angefertigt wurde.
Auch nahe der Holzener Bodelle geriet
ein Beil in Finderhand. Zwei Kieselschieferbeile wurden 1934 entdeckt,
das eine in Syburg (Abb. 10), das andere im oberen Wannetal.
Abb. 10 (7,5 cm)
2. Die Zeit der Kelten, Germanen
und Römer
Die Ausbreitung der „Indoeuropäer" als Begründer
der meisten Sprachen von Island bis Indien kann im Zusammenhang mit dem
Vordringen der Schnurkeramiker und der Streitaxtleute vor fast 4 Jahrtausenden
gesehen werden. Denn an der Wende von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit
(letztere ca. 1750-700 vor Chr.) überströmten Indoeuropäer
auf schnellen Pferden und mit schnellen Streitwagen das Gebiet der alten
steinzeitlichen Kulturen Europas. Sie wandelten sich durch deren Unterwerfung
zu neuen Völkern wie den Kelten, Germanen, Italikern und anderen.
Den Kelten werden in unserer weiteren Heimat zahlreiche Namen von Flüssen
und Bächen zugeschrieben, auch der Name unserer Ruhr und der
Lippe. Am Ende der Bronzezeit drangen von Norden kommende Germanen in
die keltischen Randgebiete ein. Mehrere Bronzeschwerter sind am Kaisberg
(südlich des Harkortsees) gefunden worden, ein Lappenbeil im Jahre
1935 in Ergste und ein Beil mit Öse in Hagen-Helfe.
In der Eisenzeit (seit ca. 700 v. Chr.) überschichteten die Germanen
die Bevölkerung Nordwestdeutschlands und beherrschten im 3. Jahrhundert
auch das heutige Westfalen. Die Stämme der Sigambrer und Chattuarier
durchzogen oder besiedelten das Ruhrgebiet. Eine Rauhtopfschüssel
aus jener Zeit konnte aus den Scherben ergänzt werden, die 1935
in einem Lehmhang beim Bodellenbach etwas westlich der Wannebachstraße
sichtbar wurden (Abb. 11). Auch die Herkunft einer Grube liegt über
2000 Jahre zurück, die genau dort an dem Hohlweg erkennbar war.
Ebenfalls in die Zeit vom 4. bis 1. Jh. vor der Zeitrechnung gehört
die dünnwandige zweite Rauhtopfschüssel der vorrömischen
Eisenzeit (Spät-Latene, Abb. 12). Sie hat einen einziehenden geglätteten
Rand und wurde 1959 an der Einmündung Schlossstraße/Hohlweg
vor den Autobahnarbeiten gerettet.
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Abb. 11 (35 cm)
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Abb. 12 (34 cm)
An die Zeit der Römerkriege vor fast 2 Jahrtausenden erinnert
die 1934 in Ergste gefundene bedeutende kleine Goldfigur der römischen
Siegesgöttin. Im Kampf gegen die Römer schlossen sich die nach
Südwesten vorstoßenden Sigambrer mit einigen germanischen
Stämmen zum „Bund der Franken" (d. h. Freie) zusammen,
um die Unabhängigkeit zu bewahren. Die Franken überschwemmten
in den späteren Jahrhunderten (bis etwa 300 nach Chr.) vom Rheinland
ausgehend das gallische Land („Frankreich").
Einen anderen Stammesverband bildeten später die Sachsen, die
in der Völkerwanderungszeit von ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet
in Holstein ausgehend sich mit anderen germanischen Stämmen wie
den Chauken an der Wesermündung und den Angrivariern an der unteren
Weser vereinigten, nach Süden vorstießen und im 6. und 7.
Jahrhundert zum Rhein hindrängten. Um 700 n. Chr. haben sie auch
die zwischen Ruhr und Lippe wohnenden Germanen vom Stamme der Boruktuarier
(Brukterer) ihrer Herrschaft untergeordnet. Jetzt standen sie an allen
erreichbaren Toren des großen fränkischen Machtbereiches.

3. Die Sigiburg und der
Sachsenkrieg
Nach Erlangung der Herrschaft über die Brukterer und einen Teil der Chattuarier
sind die Sachsen durch das fränkische Heer bei ihrer weiteren Ausdehnung
behindert worden. Die altsächsischen Teilstämme der Westfalen, Engern
und Ostfalen, die nur einmal jährlich nahe der Weser mit den hervorragenden
Männern aller drei Stände zur gemeinsamen Volksversammlung von Marklo
zusammentraten, bauten zur Befestigung ihres Machtbereiches die Volksburgen.
Zu den bedeutendsten gehörten die Eresburg (Obermarsberg) im Lande der
Engern und in Westfalen die Sigiburg über der Ruhr in Hohensyburg (Abb.
13). Abb.
13 Grundrisse der Sigiburg und des heutigen Burgberges
Auf dem Syburger Berg hatte wahrscheinlich auch vorher schon eine germanische
Volksburg im Lande der Brukterer bestanden. Die strategische Lage im Grenzbereich
zwischen Volksstämmen und auch zwischen verschiedenen Völkern war über
Jahrhunderte immer hervorragend. Ihr Name „Sigiburg" könnte
sogar von den Sigambrern abgeleitet werden, die seit der Römerzeit zwischen
Ruhr und Sieg gelebt haben. Eine andere mögliche Erklärung führt
zu dem Begriff Quellenberg. Als wasserspeichernder „Berg der Brunnen" unterstützt
der Syberg auf erstaunliche Weise auch die zweite Deutung.
Der erwähnte Stamm der Brukterer hat einen sicheren Platz in der
Geschichte unseres Raumes, denn seine Menschen gehören auch zu unseren
Vorfahren. Er hatte sich der großen fränkischen Völkerschaft
verbunden und war Mitglied des fränkischen Kulturkreises, bevor
die überlegenen Sachsen sein Land eroberten. Sieben Jahrhunderte
zuvor hatten seine Männer im Jahre 9 zusammen mit den Cheruskern
unter Armin siegreich gegen die Römer gekämpft. Die Namen der
Brukterer und Chattuarier überlebten noch lange im mittelalterlichen
Brukterergau „Borochtra", der von hier bis zur Lippe reichte,
und in dem südwestlich benachbarten Gau „Hatterun", dessen
Name bis heute von der Stadt Hattingen überliefert wird.

Abb. 14: Karl der Große. Kleine Bronzestatuette;
jetzt im Museum in Paris |
Die Sachsen, seit 695 Herren über unser Land, bildeten die
größte germanische Völkerschaft außerhalb des
fränkischen Königreiches. Sie beharrten bei ihrer heidnischen
Religion, während die Franken sich längst zum Christentum
bekannten. Für ihre Kriege wählten sie drei Stammesherzöge
zu Führern ihrer Streitmacht, einer ständigen Bedrohung
der fränkischen Reichsgrenze.
An die Spitze des Frankenreiches kam im Jahre 768 ein Mann, der später eine
der bedeutendsten Gestalten unserer deutschen und europäischen Geschichte
werden sollte: König Karl (Abb. 14). Er setzte die Sachsenpolitik seiner
Vorgänger fort und beschloss 772 auf dem Reichstag zu Worms den Krieg gegen
die unruhige Völkerschaft an seiner Grenze. Als der Reichstag beendet war,
rückte er im ersten seiner Sommerfeldzüge durch das fränkische
Hessen an. Mit einem starken Heer eroberte er die Eresburg, zog weiter und ließ eine
heilige Säule, die Irminsul, zerstören. So ließ dieser Krieg
auch seine religiösen Ziele erkennen, denn der Glaubensunterschied erschwerte
gewiss die Durchsetzung des politischen Zieles. Und das war die Eingliederung
der Sachsen in das große fränkische Reich! Doch zunächst haben
heftige sächsische Gegenschläge viel Verlorenes zurückerobert.
Doch dann, nach dem Dürener Reichstag von 775, griffen die Franken erneut
an, diesmal von Südwesten. König Karl führte sein mächtiges
Heer von Düren aus über den Rhein nach Westfalen, bis zu der steilen
Höhe über dem Zusammenfluss von Ruhr und Lenne. Hier eroberte er unsere
Feste Sigiburg, die nur nordöstlich einen flacheren Zugang hatte. |
Dieses Ereignis belegen die fränkischen Jahresberichte
(Abb. 15). Somit ist damals mit Syburg unsere engere Heimat in
den Bereich der geschriebenen Geschichte aufgenommen worden.
Die Truppen des Königs waren auf diesen Feldzug erheblich besser
vorbereitet als drei Jahre vorher. Sie ließen eine starke Besatzung
auf der Sigiburg zurück und zogen weiter zur Eresburg. Nach
deren Erneuerung und einer gewonnenen Schlacht bei der Weser am Brunisberg
setzten sie ihren Marsch fort.Nach den fränkischen Erfolgen westlich
der Weser stieß Karl schnell ins Land der Ostfalen vor, die überrascht
ganz auf Widerstand verzichteten. Doch die westfälischen Sachsen überfielen
den westlich der Weser verbliebenen zweiten fränkischen Heeresteil.
Dort fanden bei Hlidbeki (Lübbecke) sehr viele Franken den Tod,
der Rest musste fliehen. Führer der westfälischen Angreifer
ist dabei wahrscheinlich schon Herzog Widukind gewesen, dessen Name
bald danach zum erstenmal erwähnt wurde. Karls erster Heeresteil
eilte nun hinzu, brachte jenen Sachsen eine Niederlage bei und beendete
den zweimonatigen Feldzug. Zuvor hatte er sie zu Untertanen erklärt
und auch Worte der Unterwerfung erhalten. |

Abb. 15 Die Syburgseite des Berichtes von 775,
eine Ausschnittübersetzung und die Zeilen mit den Burgnamen |
Doch schon im folgenden Jahr 776 erhoben sich erneut die Sachsen und
verjagten die Franken von der Eresburg. Der Angriff auf die Syburg hatte
dagegen keinen Erfolg. Die Sturmtruppen wurden selbst bis zur Lippe zurückgeschlagen.
Zur alten Überlieferung gehört dazu die Sage von dem furchterregenden
Flammenschild über der Sigiburg.
Wieder brach Karl zu einem Feldzug auf. Als sich daraufhin bei den Abmachungen
von Lippspringe große Teile des sächsischen Adels zum Gehorsam
verpflichteten, verlangte der König auch die Bereitschaft zur christlichen
Taufe. Darin sah er eine bessere Gewähr, daß die Versprechungen
eingehalten würden. Außerdem forderte er ihr Grundeigentum
als Pfand für ihren Gehorsam. Unter allen sächsischen Ständen
ließ der Adel schon vorher eine Neigung zur christlichen Religion
erkennen. Und tatsächlich fanden sich große Scharen sächsischer
Familien zur Taufe an der Karlsburg ein, deren Standort vielleicht im
Paderborner Raum gewesen ist. Planmäßige Missionierungsarbeit
nahm nun ihren Anfang.
Angesichts des Fortschritts berief der Frankenkönig die alljährlich
stattfindende Reichsversammlung für das folgende Jahr 777 nach Paderborn
ein, - erstmalig ins Land der Sachsen. Diese waren auch eingeladen und
nahmen teil. Ebenso wurden die Reichsversammlungen von 780 und 782 auf
sächsischem Boden durchgeführt, beide Mal an den Lippequellen
(Lippspringe). Dort hat Karl für das ganze Land eine Verwaltung
nach fränkischem Muster eingeführt. An die Spitze eines jeden
Gaues wurde ein Graf gestellt, der dem König verantwortlich war.
Den Grafen unterstanden die Verwaltung, das hohe Gericht und das Heer.
Auf heftige Empörung waren die Pflicht zur Heeresfolge und das harte
Standrecht gestoßen, das viele Handlungen gegen staatliche und
kirchliche Vorschriften mit dem Tode bestrafte. Auch die Besteuerung
zugunsten der Kirche konnte gewiss keine Begeisterung erzeugen. Die regte
sich eher bei dem Gedanken an Aufstand, insbesondere bei den Freien und
Abhängigen (Liten). Diese beiden Stände hatten von der fränkischen
Herrschaft größere Einbußen ihrer bisherigen Rechte
zu erwarten als der Adel. Verboten war auch die Volksversammlung.
In den Jahren zwischen den drei Reichsversammlungen hat König Karl sein
Heer nach Norditalien und nach Spanien geführt, um dort seine Machtstellung
zu festigen. Die heidnischen Sachsen scheinen sich Karls Abwesenheit herbeigewünscht
zu haben - und einen starken Mann an ihre Spitze.
Denn besonders diese Jahre gehörten hier oben nicht der friedlichen
Anpassung. Sächsischen Aufruhr und verheerende Überfälle
weit bis ins fränkische Land hinein hatte wiederum der Mann angeführt,
der als einziger der sächsischen Großen allen Reichsversammlungen
ferngeblieben war. Es war der mitreißende und schlaue Herzog Widukind,
den die Sage als den „unbeugsamen Wittekind" späteren
Jahrhunderten überliefert hat (Abb. 16).
Er hatte in den Jahren der bittersten Kämpfe
die Führung eines Krieges in die Hand genommen, der im ganzen über
dreißig Jahre dauern sollte. In der Schlacht am Süntelgebirge
im Mindener Raum brachte er 782 den Franken eine schreckliche Niederlage
bei. Noch schrecklicher ist die Erinnerung an das Verdener Strafgericht
des Königs, der daraufhin 4500 Sachsenkrieger hinrichten ließ.
In den nächsten drei Jahren folgten verheerende fränkische
Feldzüge bis an die Elbe, doch auch noch wechselndes Schlachtenglück.
Das Jahr 785 sah wieder eine Reichsversammlung
in Paderborn. Nun war die eigentliche Entscheidung gefallen. Der
aller Hoffnungen auf einen Endsieg beraubte Herzog gab auf und
war bereit, Christ zu werden. Zu Weihnachten ließ er sich taufen.
Dieses Ereignis veranlasste
den Papst, auf Wunsch des Königs ein dreitägiges Dankfest
der ganzen Christenheit anzuordnen! |

Abb. 16: Wittekind-Brunnen in Herford
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4. Der Reichshof Westhofen bis
1300
Syburg und Westhofen, zwei Schwerpunkte einer kirchlichen und politischen
Einheit.
Die mittelalterliche Geschichte Westfalens hat mit der fränkischen
Eroberung des Sachsenlandes und der Einführung des Christentums
begonnen. Während vorwiegend im Gebiet der Unterelbe noch hin und
wieder Aufruhr entstand, setzte zwischen Ruhr und Lippe die Erschließung
des Landes ein. So ließ der Frankenkönig 784/785 den Ausbau
des wichtigen Hellweges von Duisburg über Dortmund und Soest nach
Paderborn beginnen. Eifrige Missionsarbeit und kirchliche Organisation
ließen in der westlichen Hälfte Sachsens die Bistümer
Minden, Münster, Osnabrück und Paderborn entstehen. Das Land
südlich der Lippe wurde dem Bistum Köln angeschlossen. Die
genannten Bistümer, außer Paderborn, unterstanden auch Köln,
das 795 Erzbistum geworden ist. Das Bistum Paderborn gehörte zu
Mainz.
In Westfalen flackerte 796 der letzte Widerstand nördlich der
mittleren Lippe auf. Ein Jahr danach waren bei der Reichsversammlung
zu Aachen Abgesandte der sächsischen Gaue beteiligt. Dort wurde
ein Sachsenrecht geschaffen, das erheblich milder war als das harte Standrecht
des Ergebenheitsvertrages von 782. Zur Festigung der neuen Ordnung ließ Karl
jedoch einen Austausch von Bevölkerungsteilen vornehmen. So sollen
10000 Sachsen an den Main gezogen sein und ebenso viele Franken nach
hier. In seiner Heimat hat sich das Volk der Sachsen eine Eigenständigkeit
in Sprache, Sitte und Rechtsempfinden bewahrt. Das alte noch ungeschriebene
Volksrecht der Sachsen, die ein schriftloses Volk waren, ist damals wie
ein Vermächtnis aufgezeichnet worden (Sachsenspiegel).
Der letzte Aufstand endete im Jahre 804 an der Nordelbe. Dass mit dem
Anschluss der Sachsen an das Reich die spätere Bildung des deutschen
Volksstaates erst möglich wurde, gehört zu den Leistungen des
Königs, ist das Verdienst Karls des Großen.
Nur in der Regierungszeit dieses Königs ist es einmal geschehen,
daß ein Papst westfälischen Boden betreten hat. Im Jahre 799
empfing Karl in Paderborn den in Rom bekämpften Papst Leo III.,
dessen Herrschaft er kraftvoll unterstützte. Und 800 - am Weihnachtstage
in Rom - erhielt der König die Kaiserkrone aus der Hand des Papstes.
Zu den Neugründungen jener Zeit gehören die „Reichshöfe" des
Königs. Sie waren geschlossene Bereiche, in denen ungefähr
dreißig Bauernhöfe zusammengefasst sein konnten. Gut zugänglich
und planmäßig eingerichtet hatten sie als königlicher
Besitz die wirtschaftliche Aufgabe, Güter für Hofhaltung und
Verwaltung zu erzeugen. Die Einhaltung besorgte stets der Hofes-Schulte
auf dem Oberhof. Für vorhandene Burgen hatten die Hofesleute die
Verteidiger zu stellen, ebenso den militärischen Schutz der Straßen.
Auch die Instandhaltung der Fernstraßen, der Heerwege, gehörte
zu ihren Pflichten. Deshalb waren immer Reichshöfe in der Nähe
dieser Straßen. In auffälliger Weise aneinandergereiht ist
solcher Reichsbesitz an dem hochbedeutenden Hellweg nachgewiesen, der
unserem Heimatgebiet zwischen Lippe und Ruhr bis heute mit Recht seinen
Namen gibt. Um Dortmund, selbst ein Königshof, häuften sich
mehrere Reichshöfe. Einer war der „Kaiserlich freie Reichshof" Westhofen.
In diesem wohldurchdachten System umfasste der Reichshof Westhoven das Gebiet
Syburgs, Westhofens, Holzens, Wandhofens und Garenfelds (Abb. 17). Der Ursprung
alter Ortsnamen mit der Endung ,,-hoven" gilt als fränkisch und als
kennzeichnend für die „Karolingerzeit" seit Karl dem Großen.
Träger des Namens Westhoven waren zugleich der gesamte Reichshof und auch
sein späterer Schwerpunkt, unser Heimatort, der von den anderen vier Bauernschaften
umrahmt wurde.
Zwei Straßen, von Köln zur Soester Börde und von Dortmund nach
Hohenlimburg, führten durch das Gebiet unseres Reichshofes: der Hellweg
und der Königsweg mit dem Limburger Weg. Entsprechend den Aufgaben aller
Königshöfe hatten die Bewohner diese Wegekreuzung mit dem Ruhrübergang
militärisch zu schützen und Güter für Hofhaltung und Verwaltung
zu erzeugen. Die Teilnahme an einem Heeresaufgebot nach Italien, begleitet
von einem Heerwagen des Wandhofener Lyndinckhofs („Fahnengut"),
deutet auf die Verpflichtung, mit Leib und Gut zu dienen.
Nach der Eroberung Syburgs hatte der König dort im Burggelände
eine Kirche bauen lassen. Die bereits im Jahre 776 erwähnte Syburger
Kirche war die älteste unserer weiteren Umgebung. Die Pfarrgemeinde
dieser St. Petrus-Kirche umfasste längere Zeit auch das außerhalb
des Reichshofes liegende Berchum. Zu den 10000 von Karl nach Westfalen
umgesiedelten Franken können die gehört haben, welche im Jahre
804 in Westhofen „bei Syburg" eine Kapelle errichtet haben
sollen („Hi Capellam S. Aegidii prope Syburg ad Ruram aedificaverunt").
Im Jahre 1169 wuchs in Syburg ein Neubau empor. Sein stolzer Turm sollte
bis heute ein Zeuge für acht Jahrhunderte werden. Unter der Nordostspitze
der alten Vorburg wurde der Petersbrunnen von Wallfahrern verehrt.
Zu den Kapellen in Berchum und Westhofen gab es auch je eine Vikarstelle,
dem Pfarrer untergeordnet. Berchum wurde ziemlich früh eine selbständige
Pfarrgemeinde. Die Pfarrgemeinde Syburg, zu der innerhalb des Reichshofes
in jedem Falle Westhofen und Garenfeld gehörten, war ein Teil des
Dekanates Wattenscheid. Dieses lag im Archidiakonat des Kölner Dompropstes
und damit im Erzbistum Köln. Die Syburger Kirche stand zwar auf
Reichsgebiet, geriet aber später unter das Patronat des Altenaer
Grafenhauses. Das damit verbundene Recht, die Pfarrer einzusetzen (Collationsrecht)
behielt im 13. Jh. dessen Limburger Zweig.
Erfahrene Franken bauten wahrscheinlich auch die erste Handwerkersiedlung.
Sie lag am Hang des Ebberges nahe bei Kückshausen. Ein Bronzeschmelzofen,
fränkische Keramikscherben, tausendjährige Schmelztiegel aus
hartgebranntem Ton (einen zeigt Abb. 18) und ein Beschlagstück aus
Bronze (Abb. 19) erinnern an ihre Arbeit. (Alle Originale verwahrt das
Ruhrtalmuseum.) Solche Beschlagstücke dienten als Riemenverteiler.
Die fränkisch-ottonische Siedlung gehört in die Zeit vom 9.
bis zum 11. Jahrhundert.
Die Verwaltung und die „niedere Gerichtsbarkeit" besorgte der Schulte,
der seinen Sitz auf dem Oberhof in Syburg hatte. Die höhere Rechtssprechung
des Vogtes haben spätestens im 13. Jh. die vom Altenaer Grafenhaus abstammenden
Grafen von der Mark besessen, ihre Limburger Vettern dagegen das Freigericht über
Eigengutverkäufe und Regelungen der hohen Jagd.
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Abb. 18 (ca. 7,5 cm hoch) |
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Abb.19 (ca. 5,5 cm hoch) |
Die Rechte der Reichsleute (Reichshofleute) mit erblichem Besitz an
reichseigenen Höfen betrafen die Nutzung des Reichsmark-Waldes und
das Treiben des Viehs auf die Gemeindeweiden nahe der Ruhr. Die Garenfelder
nutzten ihre eigene Mark und ihre Hofe waren nicht reichseigen.
Ihre rechtliche Sonderstellung lassen eine Siedlung vermuten, die schon
vor der Reichshofgründung bestanden hat.
Die Familie des Oberhofs in Syburg gehörte inzwischen dem Adelsstand
an und bewohnte unter dem Namen „von Syberg" die um 1100 erbaute
Ritterburg (Abb. 20). Sie trug das Wappen der Syburger Burgmannschaft:
ein goldenes Rad auf schwarzem Grund (Abb. 21).

Abb. 20 (Rekonstruktionszeichnung)
An die unmittelbare Reichszugehörigkeit erinnerte der Adler des „Heiligen
Reiches" (Abb. 22), der auf verschiedenen Westhofener Siegeln späterer
Zeit erscheint, wobei jede Seite stets sieben Schwingen hat.

Abb. 21 |

Abb. 22 |
Die Entwicklung des Reiches fand selbstverständlich ihren Niederschlag
auch in den Reichshöfen. Das Reich Karls des Großen war der
Erbteilung unterworfen worden. Doch schon ein Jahrhundert nach des Kaisers
Tod wurde ein Mann sächsischer Herkunft zum König des östlichen
Reichsteiles gewählt. Die Entwicklung zum deutschen Reich war nun
entschieden. Heinrich und sein Sohn, Kaiser Otto der Große, standen
am Anfang der hundertjährigen Herrschaft des sächsischen Kaiserhauses
der „Ottonen". Sie haben ihr Reich nach außen und nach
innen kraftvoll verteidigt. Doch
dann folgten Jahrhunderte großer Schwächung, gemildert durch glanzvolle
Stauferherrschaft. Die Auseinandersetzungen mit Päpsten und Fürsten
kosteten zuviel Kraft. Vier Jahrhunderte nach Karl dem Großen beklagte
man die „kaiserlose schreckliche Zeit".
Besonders im Zusammenhang mit Königswahlen war Reichsbesitz wiederholt
Verpfändungen ausgesetzt. So erging es auch den Reichshöfen,
die dem Reichshof Dortmund benachbart lagen: Brackel, Westhofen und Elmenhorst.
Durch Verpfändungen gerieten sie abwechselnd unter die Pfandherrschaften
zweier Landesfürstentümer, nämlich denen der Erzbischöfe
von Köln und der Grafen von Altena-Mark. Angesichts der geschwächten
Reichsgewalt strebten die deutschen Fürsten danach, ihre Staatsflächen
zu vergrößern.
Eine der ältesten gesicherten Urkunden, die den Namen „Westhoven" enthält,
ist im Jahre 1255 geschrieben worden (Abb. 23). Durch sie vermachte der Graf
von der Mark regelmäßige Einkünfte aus dem Reichshof Westhofen
als Geschenk. Das beweist, daß er zu der Zeit diesen Hof, der lateinisch „curtis" genannt
wird, unter seine Herrschaft genommen hatte. Die Märker mußten ihn
später wieder an die Erzbischöfe von Köln verlieren, die zusätzlich
ihre herzogliche Überlegenheit betonen mochten. Doch den Grafen sollte
es noch gelingen, am Ende Sieger zu bleiben.
Die Reichshofleute haben großen Schaden in der märkisch-limburgischen
Fehde erlitten, die um 1226 begann. Sie war ein Erbfolgekrieg nach der Hinrichtung
des Isenberger Vetters, der 1225 den Kölner Erzbischof ermordet hatte.
Als Reaktion auf diesen Bischofsmord durch einen Verwandten haben die Altenaer
Grafen sich fortan nach ihrer an der Lippe gebauten Burg „Mark" genannt.
Westhofen und Schwerte waren bis zu dem märkischen Sieg im Ruhrfeld (nahe
Villigst, ca. 1230) die Opfer limburgischer Brandstifter.
Trotzdem haben die Herren der Syburg ihre Hoffnung weiter auf die limburgische
Seite gesetzt. Als die Truppen des Grafen von der Mark im Jahre 1288 die Burg
Volmarstein - bedrohlich von Köln beherrscht - zerstört hatten, stürmten
sie bald auch die Syburg und vertrieben ihre Ritter.

Abb. 23
Mit diesem Ereignis waren die Weichen für Änderungen gestellt.
Der märkische Einfluss war gewachsen und die Ämter des Reichshofes
waren neu zu vergeben.

5. Der Reichshof Westhofen nach 1300
Herrschaft und Verwaltung
Im Jahre 1300 fällte ein Schiedsgericht ein weitgehend unentschiedenes
Urteil (Abb. 24, Ausschnitt) über die Zugehörigkeit des
Reichshofes Westhofen unter die Pfandherrschaft der Grafschaft Mark
oder des Erzbistums Köln als weltliche Macht. |

Abb. 24 |
Nachdem König Albrecht I. (von Habsburg) diesen Schiedsspruch im
Jahre 1301 zugunsten des Märkers abgewandelt hatte, gelang den Grafen
von der Mark die Einverleibung Westhofens in ihren Machtbereich.
Graf Eberhard II. bestätigte den Reichsleuten ihre kaiserlichen Freiheiten.
Seinem Sohn, dem Grafen Engelbert II., halfen sie bei der Zerstörung der
kölnischen Burg Volmarstein („Volmestein") im Jahre 1324. Mit
diesem militärischen Erfolg wird einer schriftlichen Überlieferung
nach die Errichtung einer mit Privilegien ausgestatteten „Freyheit" im
Schwerpunkt des Reichshofes begründet.
In jener Zeit galt allgemein, daß die Landesherren sich um eine Abrundung
ihrer bisher zersplitterten Machtbereiche zu geschlossenen Flächenstaaten
bemühten. Offiziell blieb der Reichshof ein Pfand des Reiches, tatsächlich
wurde er zunehmend Eigentum des märkischen Einzelstaates, der sich damals
zwischen Bochum, dem Lippeknie und Plettenberg erstreckte.
Er wurde nach 1300 in die märkische Amtsverfassung eingereiht. Oberhof
des Schulzen wurde jetzt die Burg Wetter, der Verwaltungssitz des märkischen
Drosten, der zugleich „Amtmann und Schulze über den Reichshof Westhoven" genannt
wurde. Zum Schulzenamt gehörte - wie vorher - die niedere Rechtssprechung,
die Regelung des Steuerwesens („Gefälle") und die Verwaltung.
Den Schutz des Reichshofes übernahm in den nächsten Jahren die Burg
Hörde, zu deren Bau (1299 erwähnt) Steine der zerstörten Syberger
Burg verwendet worden sein sollen. Später übernahm die Burg
Wetter auch diese Aufgabe. Ihren Burgmannen wurden für die Schutzherrschaft
Einkünfte des Reichshofes verschrieben. Trotzdem ernannte der Landesherr
noch im Jahre 1496 Gerit Spee zum Burggrafen der zerstörten Syburg.

Abb. 25 |
Die erste deutschsprachige Urkunde über Westhofen ist die
eines Richters von 1357 (Abb. 25). Am Ende dieses Jh. erhielt der
Reichshof Westhofen wieder einen ortsansässigen hauptamtlichen
Richter, 1387 war es Johan Brower. Damit geschah eine Aufteilung
der bisherigen Aufgaben des Drosten zu Wetter. 1428 schied der Reichshof
Westhofen aus dem Amt Wetter aus und wurde unter dem märkischen
Amt Hörde in die Renteiverfassung eingegliedert. Zugleich wurde
einer der größten Höfe der Freiheit, der „Velthusenhof",
zur Stätte des Hofesgerichts und des jährlich einmal stattfindenden
Kluhtengerichtes bestimmt. |
Damit hatte - zum erstenmal nachgewiesen - ein Hof in Westhofen die Aufgaben
eines Oberhofes für den ganzen Reichshof übernommen. Dort war
der Sammelplatz der Gefälle, und ein provisorisches Gefängnis
gehörte anscheinend dazu.
Seit 1400 entschied ein einzelner Richter aus Westhofen oder Schwerte über
die Angelegenheiten beider Gerichtsbezirke. 1461 wurden diese zu einem
Bezirk zusammengefasst. Um 1700 war Haus Villigst Amtssitz eines Drosten.
Seit 1392 waren die Grafen von Cleve aus dem Stamme der Grafen von der Mark
Herren der Grafschaft und Westhofens, sie wurden seit 1417 Herzöge von
Cleve und Grafen von der Mark genannt. Als der letzte Landesherr dieses Stammes
im Jahre 1609 starb, geriet die Grafschaft als Erbteil an das Herzogtum Preußen
und damit an den Kurfürsten von Brandenburg. Dieses wurde 1701 zum Königreich
Preußen innerhalb des vergehenden Deutschen Kaiserreiches.
Im Verband des Reichshofes bildete der Hofesrichter die Spitze. Der Landesherr
und die Erben wählten ihn gemeinsam aus der Zahl der Erben. Er hatte über
Liegenschaften, Erbfolgen, Verkäufe und die Aufnahme neuer Hofesleute
zu entscheiden, später auch über Verlehnungen von Reichshufen. Die
Aufgaben des „Holtrichters" oder Markenrichters wurden zugleich
vom Hofesrichter übernommen. Das Holzgericht wachte über die Einhaltung
der Ordnung in der Mark des Reichshofes. „Schernen" wachten über
Recht und Schutz der Mark als Stützen und Einschränkung des Hofesrichters.
Sie waren angesehene Erben aus der Markgenossenschaft - meistens 6. Ab 1540 übernahmen
4 Holtknechte deren Aufgaben, 2 stellte der Landesherr und 2 die Erben. Ein
Schreiber und ein Frone des Reichshofes mit Polizeiaufgaben standen dem Richter
zur Seite. Einen besonderen Aufgabenbereich behandelte das „Kluhtengericht".
Dieses wurde bis zum 16. Jh. jährlich am 9. September abgehalten. Es kontrollierte
den Zustand der Höfe, der Grenzpfähle und Landwehren sowie die Besitzwechsel.
Den Vorsitz hatte erblich stets der Besitzer des Velthusenhofes. Er wurde „Hovesrath" genannt
und bewahrte das Siegel des Reichshofes und die Protokolle.
Garenfeld hatte für seine Mark einen eigenen Holtrichter und 6 Schernen.
Ein Freistuhl der alten Limburger Freigrafschaft wurde dort im Jahre 1504 erwähnt.
Der Graf von der Mark bestätigte als oberster Hofesherr die durch das
Hofesgericht zuerkannten Strafen. Die höchste im Reichshof verhängte
Strafe war der Pranger („Kaak"). Der Beherbergungsverpflichtung
hatte der Syburger Pfarrhof nachzukommen. Im 16. Jh. ging sie auf den Westhofener
Dykehof über.
Die Zeit vom 18. Jh. bis 1816: Unter preußischen Königen und dem
französischen Kaiser, Herrschaft und Verwaltung.
Auch im 18. Jh. blieb der Reichshof Westhofen - als niemals eingelöstes
kaiserliches Pfand - im Herrschaftsbereich der Könige von Preußen.
Die zuständige Regierung hatte ihren Sitz in Kleve.
Das Jahr 1803 brachte nach dem Verlust Kleves an Frankreich die Entschädigung
Preußens mit Teilen der geistlichen Fürstentümer Münster
und Paderborn. Die Stadt Münster wurde Regierungssitz und die Kriegs-
und Domänenkammer wurde nach Hamm verlegt.
Kaiser Franz II. legte im Jahre 1806 - von Napoleon gezwungen - die deutsche
Kaiserkrone nieder.
Napoleons Kriegserfolge führten schon 1807 Westhofen mit der Grafschaft
Mark zum neu gebildeten Großherzogtum Berg. Großherzog Joachim
Murat residierte glanzvoll in Düsseldorf, bevor Frankreichs Kaiser (seit
1808) dieses Land selbst regierte. Nach der Niederlage der französischen
Armee (1813) gelangte unser Gebiet zum preußischen „Gouvernement
zwischen Weser und Rhein", dann zur 1815 neu gebildeten Provinz Westfalen.
Der Reichshof Westhofen hat seine Sonderstellung anscheinend über das
17. Jh. hinaus nicht bewahren können, - ausgenommen die Reichsmark. Gerichtlich
als Teil des Amtes Schwerte, gehörte er mit diesem weiter zur Rentei Hörde.
Friedrich der Große beseitigte 1753 die Ämterverfassung in der Grafschaft
Mark und bildete 4 Kreise. Somit wurde Hamm Westhofens Kreisstadt. Zugleich
wurde das Gericht zu Unna zuständig. 1811 jedoch das Friedensgericht zu
Hörde. Die Organisation von 1815 gab Schwerte ein eigenes Gericht.
Im Jahre 1806 ist der Reichshof Westhofen aufgelöst worden.
Unter Napoleon bildeten die Stadt und das Gebiet der Landkirchengemeinde Schwede
(d.h. Villigst, Geisecke, Lichtendorf und Overberge) zusammen mit dem bisherigen
Reichshof Westhofen die „Municipalität" Schwede (oder auch „Mairie").
Seit 1813 wieder preußisch, wurde diese Bürgermeisterei des Ruhrtals
1816 dem Kreis Dortmund angeschlossen.
Die Gruppen der Einwohner im Reichshof, ihre Rechte und Pflichten, bedeutende
Höfe, die Wirtschaftsordnung.
Die Besitzer der Höfe waren ursprünglich bäuerliche Erben. Pächter
(„Colonen") wurden im 15. Jh. zahlreicher, als nichtbäuerliche
Besitzer und Auswärtige („Butenleute") viele Höfe übernahmen.
Kötter besaßen kleinere Parzellen. Einige große Höfe
wurden erweitert und entwickelten sich zu Rittersitzen: Husen, Kückshausen,
Steinhausen, Wanthoff und Ruhr. Die Namen alter Besitzer waren: von Husen,
von Nagel zu Steinhausen, von Wanthoff, von Neyhem zu Haus Ruhr. Es ist anzunehmen,
daß deren Vorgänger im Hofbesitz als „Ministeriale" zum
Burgdienst in Syburg und zum Heeresdienst für den Kaiser verpflichtet
gewesen waren. Die Gewalt der Hofesrichter über sie schwand entsprechend
ihrem Aufstieg, die bäuerlichen Lasten waren abgestreift worden.
Die Höfe der Familie von Spicker lagen innerhalb der Freiheit und ihrer
Feldmark. Den Namen der Adelsfamilie „in dem Spyker" findet man
wiederholt nach 1400 unter den Richtern zu Westhofen und Schwerte. Auch ein
Familienzweig derer von Syberg hat einen Westhofener Hof zu ihrem Sitz gemacht,
nämlich den Komplex, der später Nettmanns, Weibergs und dann Fritzenkötters
gehört hat.

Der Oberhof des Reichshofes, der Westhofener Velthusenhof, wurde am Ende
des 16. Jh. zersplittert. Weil das „Kluhtengericht" an diesen Hof gebunden
war, wurde Jürgen Velthaus nach dem Herrschaftsantritt Brandenburg-Preußens
zwar als Vorsitzender und „Hovesrath" vereidigt, doch das Amt wurde
danach durch die Obrigkeit abgeschafft. Velthaus hat damals die alten Rechte
niedergeschrieben und wurde Westhofens erster Chronist.
Von den Garenfelder Höfen hoben sich 4 heraus: das „St.
Peters-Gut" der Kirche, der Borghof, der Hof des Freistuhles und
der Lennhof. Auf dem Kirchengut wurden die „Gefälle" für
die Syburger Peterskirche gesammelt. Hier stand der Kornkasten mit dem „Vrogscheppel".
Auf dem Borghof wurde der Schlüssel des südlichen Schlagbaumes
aufbewahrt. Er war auch der Platz des Sendstuhles für den Grafen
von Limburg. Der Hof des Freigerichtes war vermutlich der Woirdhof. Beim
Lennhof lag die Aufgabe, den Schlagbaum der über die Brücke
führenden Heerstraße zu schließen. Bestätigungen
und Erweiterungen der Rechte der Reichshofleute fanden 1323 und 1352
auf dem Lennhofe statt. Im Auftrage des Grafen von der Mark verhandelte
dort der Droste zu Wetter. Im Jahre 1337 waren solche Verhandlungen auf
der Burg Wetter, dem damaligen Oberhof des Reichshofes Westhofen. Im
17. Jh. wurde dem Reichshof nicht selten der Name „Holthausen" gegeben,
und bei internen Zusammenkünften tagte man auf einem der Holzener
Höfe.
An Abgabe- und Dienstverpflichtungen der Hofesleute gegenüber
dem obersten Hof gab es die „Maibede", die „Herbstbede",
den „Heerschilling", das „Hundelager", die Lieferung
von Hühnern, Schweinen, Getreide und Eiern, außerdem den Dienst
für den Drosten, den Richter und den Fronen sowie Notdienst an Brücken
und Mühlen. Der Abt von Deutz bekam den „Zehnten". Garenfeld
leistete keine Reichshofzahlungen, sondern die allgemeine Landsteuer.
Doch allen Höfen gemeinsam war die Entrichtung der „Gefälle" an
die Peterskirche zu Syburg, die auf dem Kirchengut in Garenfeld gesammelt
wurde.
Eine Besonderheit der Reichshöfe waren „Heergewedde" und „Gerade" -
die Abgabe von Gebrauchsgegenständen an einen Nachkommen oder Nächstverwandten
der männlichen oder der weiblichen Seite im Falle eines Todes. Auswärtige
Ehepartner wurden durch den Hofesrichter und die Schemen zu Reichsrecht
aufgenommen. Jede Reichshufe durfte nur eine Wohnstätte tragen.
Witwerwohnungen wurden nach dem Tode abgebrochen.
Die Grenzen des Reichshofes umfassten einschließlich der Reichsmark
ein Gebiet von 36 Quadratkilometern. Eine Zählung ergab einmal 391/2
Hufen und 15 Doppelhufen. Zu einer Hufe (Hof) gehörten etwa 30 Morgen.
Der Lebensnerv des Reichshofes war die Reichsmark. Der Landesherr und die Westhofener
Markgenossen nahmen je die Hälfte ihres Ertrages und die Hälfte der
Ruhrfischerei in Anspruch. Zur Markgenossenschaft gehörten die Erben,
die Besitzer von Landlosen und die Kötter. Die Reichshofbesitzer hatten
das Recht zum Torfstechen, zur Hude, Eichelmast, Laub- und Grasnutzung, zur
Nutzung von Teichen und Wiesen und zum Schlagen von Brand- und Bauholz. Scharbeile
zur Bestimmung der zu fällenden Bäume wurden in der Westhofener Kapelle
in einer Kiste aufbewahrt, daneben das Brandeisen für die Kennzeichnung
der Schweine vor dem Eintreiben zur Eichelnutzung. Einen Schlüssel dazu
hatte ein Erbe, den zweiten der Rentmeister in Horde. Die Zuweisung von Bau-
und Großholz nahmen die Schemen vor, seit 1540 die Holtknechte. Diese
Zuweisung sollte zweimal im Jahr erfolgen: an St. Veit (15. Juni) und Petri
ad cathedram (22. Febr.). Die Mark lieferte auch das Holz zum Brücken-
und Straßenbau.
Das Holtgericht („Holting") wachte über die Einhaltung
der Ordnungsregeln in der Mark. Es fand jährlich meistens am 2.
Mai auf dem Wandhofener Kreienberg statt, wenige Tage später schloss
sich ein allgemeiner Umzug um die Reichsmark an. Die Ankündigung
des Holtgerichts erfolgte vorher in der Kirche.
Im 15. Jh. begann der Niedergang der Mark infolge von Raubbau und lückenhafter
Aufforstung. In die Schuld teilten sich Landesherren und Erben. Die Landesherren
strebten eine Umwandlung der Pfandherrschaft über die Reichshöfe
in Eigentum an, die auch die Mark betraf. Sie beanspruchten zunehmend
für sich das Recht, die Holt- und Hofesrichter allein einzusetzen.
Die Markenordnungen von 1519,1540,1563 und 1566 sollten den Bestand sicherstellen.
Sie waren oft das Ergebnis zäher Verhandlungen, in denen die Westhofener
Erben um ihre Rechte kämpften, - mit geringem Erfolg.
In der Garenfelder Eigenmark hatte der Landesherr keine Nutzungsrechte. Diese
Bauerschaft hatte an der Lenne eine eigene Wassermühle und eine zweite
in der „Molle".
Im Jahre 1685 vermachte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg
(„der Große") als Landesherr seine Hälfte der Reichsmark
den 4 adligen Häusern des Reichshofes.
Hinter dem Dorf Syberg auf der Reichsmark durfte seit 1582 der Schwerter
Richter Mathys Beckers entsprechend einer Erlaubnis der Regierung in
Kleve in einem Kohlenbergwerk arbeiten lassen. Bei Gelingen sollte der
den „Zehnten" entrichten. Es war eines der frühen Zeichen
des Wirtschaftszweiges, der in unserer Heimat reiche Ernte bringen sollte.
Die Wirtschaft des Reichshofes im 18. Jh. und den folgenden Jahrzehnten:
Markenteilungen, Sandsteinbrüche und Kohleförderung, das
Mühlenwesen.
In der Zeit um 1727 hatte die Reichsmark noch eine Größe
von 11,7qkm. Gegen 1760 wurde eine Hälfte wieder den Hufeninhabern
zugeteilt, die andere Hälfte überließ das Königreich
weiterhin - wie seit 1685 - den 4 adligen Häusern in Erbpacht (gegen
Erbzins). Eine Hälfte entsprach damals 1200 Morgen. (1727 entsprach
die Gesamtgröße 1438 „holländische Morgen" und
358 Ruten.) Aus den Jahren vor 1800 ist das Amt eines „Holzrichters" noch überliefert.
Am 22. Februar 1806 wurde die Teilung der Reichsmark zustande gebracht,
an der auch die Freiheit beteiligt war. Die Anteile wurden so vergeben,
daß Bürger ohne Hofrecht eine Fläche entsprechend einem
halben Hofrecht erhielten, nämlich 9 „Magdeburger Morgen".
Bei der Teilung des Spieks (1809) bekamen solche Bürger 1 Kuhweiderecht,
eine ganze Hufe dagegen 2 Kuhweiderechte.

Abb. 26 |
Die Sandsteinbrüche lagen größtenteils im Bereich
Syburgs bzw. Buchholz'. Mitten durch den Reichshof (Richtung SW
nach NO) verliefen die Grubenfelder für den Kohleabbau. Im
Zusammenhang damit standen Namen wie „Hörder Grubenfeld", „Graf
Wittekind", „Abendsonne", „Abergunst", „Louisenglück" (1792)
und „Glücks Fortgang" (1792). Ein Markierungsstein
am Ebbergnordhang zeigte beidseitig diese Jahreszahl (Abb. 26).
Kohle wurde nicht für Heizungszwecke gefördert, sondern
sie wurde größtenteils lenneaufwärts zu den Drahtziehereien
und Schmieden bei und in Limburg gefahren. Weil die dortigen Handwerker
häufig wegen Hochwassers auf die Kohle warten mußten
(„lauern"), gaben sie dem hiesigen Zechengebiet insgesamt
den Namen „Lurbül" (Luerbüel).
Von den 4 Kornmühlen gehörten 2 zu den Rittergütern
Haus Ruhr („Rettelmühle") und Haus Husen, eine
neue auf Garenfelder Gebiet zu dem benachbarten Haus Busch und
eine ebenfalls mit Wasserkraft getriebene Mühle in der Wanne.
Die Eingesessenen benutzten häufig die Rettelmühle, sie
ist damals Partikuliermühle geworden - mit Abgaben an den
König. Zu Haus Ruhr gehörte auch noch eine Ölmühle
auf der Westhofener Seite des Wannebachs. |
Die Adelshäuser des Reichshofgebietes sind
sehr alten Ursprungs.
Einige verraten auch heute noch einiges von
ihrem früheren Zustand, die Zeichnung des verschwundenen Hauses
Wanthoff stammt aus dem 17. Jh. (Abb. 27). Haus Ruhr (Abb. 28),
Haus Steinhausen (Abb. 29) und Haus Husen (Abb. 30 alt) (Abb. 30
neu) sind sichtbare Zeugen unserer Geschichte.

Abb. 27, Haus Wanthoff |

Abb. 29, Haus Steinhaus |

Abb. 28, Haus Ruhr

Abb. 30a, Haus Husen, altes Gebäude |

Abb. 30b, Haus Husen, neues Gebäude |

Die „Freyheit Westhoven" in der Zeit von 1300-1723.
Nach der Eingliederung in die Grafschaft Mark ist allein Westhofen als Schwerpunkt
des Reichshofes mit Vorrechten ausgestattet worden. Es wurde um 1324
vom Grafen Engelbert II. zur „Freyheit" erhoben, nachdem
die Reichsleute dem Landesherren bei der Eroberung der Burg Volmarstein
geholfen hatten. Seinen Reichsleuten wurde damit gestattet, ihren Wohnbezirk
zu befestigen. Bald wurde die Westenpforte als erstes von 4 Toren gebaut.
Es folgten Ostenpforte, Hohlwegspforte und Spickerspforte (Schlosspforte).
Wallgräben und Mauern bildeten einen geschlossenen Ring.
Die Bürger erhielten das Recht, einen Bürgermeister und zwei Ratsleute
frei zu wählen. Auch Steuern („Akzise") durften in Westhofen
eingenommen werden. Der befestigten Freiheit war eine Feldmark zugeordnet,
so daß die Grenzen des privilegierten Ortes („Wibbolt") ein
Gebiet zwischen Steimke und „Alter Ruhr", Ackesbach und Wannebach
umfassten (Abb. 31). Landwehren schlossen die Lücken zwischen den natürlichen
Grenzen.

Abb. 31
Die Überlieferung schreibt glaubhaft die Gewährung der neuen Rechte
unserer Freyheit dem Grafen Engelbert zu. Engelbert II. regierte von 1308 bis
1328. Die günstige Lage an Flussübergang und Straßenkreuzung
konnte damals eine Entwicklung zum Marktflecken erwarten lassen. Im Jahre 1401
wurden jedenfalls geltende „alte Rechte" der Freyheit vom Landesherrn
bestätigt. Ergänzungen fanden mehrmals in der ersten Hälfte
des 15. Jhs. statt.
Als Einwohner traten neben die Reichshofeserben die als „Gemeinte" bezeichneten
Handwerker und Krämer. Neubürger hatten den Hofeseid zu leisten.
Darauf geschah die Eintragung in das Bürgerbuch. Einheiratende wurden
im Beisein des Bürgermeisters empfangen, der am Morgen nach der Hochzeit
auch die „Morgensprache" über das Hofesrecht vornahm.
Die Freiheit Westhofen hatte einen eigenen Gerichtstag, an dem alle Einwohner
zu erscheinen hatten. Auch hier hatte der Richter des Reichshofes den Vorsitz.
Als Rechtsautorität stand er über dem Bürgermeister und war
zuständig für alle Klagen, über welche dieser nicht hinreichend
entscheiden konnte. Der Bürgermeister behandelte zunächst die
Klagen und Streitigkeiten innerhalb der Freiheit. Als höchste Geldstrafe
konnte er die 4-Stüber-Buße verhängen. Die Bürger wählten
stets den Erben eines Hofes zum Bürgermeister, häufig für 2
Jahre, in späterer Zeit (um 1700) anscheinend auch angesehene und fähige
Männer der Gemeinte. Der Tag der Abrechnung und der Neuwahl war der 22.
Februar („Sankt Petri Stuhlfeier"). Die beiden Ratsleute wurden
aus den Erben und der Gemeinte gewählt. Auch ein Freiheitsschreiber und
ein Freiheitsfrone standen zur Verfügung.

Abb. 32 |
Die Landwirtschaft bildete den Schwerpunkt des Erwerbslebens. Seit
1430 durfte die Freiheit an jedem Dienstag einen Wochenmarkt abhalten
(siehe Anm.). Für jene Blütezeit sind auch Beziehungen
zum Handel der Hanse bezeugt, die bis Danzig und Reval reichten.
Ansätze zu einer Steinbruchindustrie lässt im Jahre 1440
die Lieferung Westhofener Sandsteine für den Bau eines Springbrunnens
in Unna erkennen. Alte Vorschriften berichten über Bierbrauen,
Bierhandel und Brotgewichte. Aus welchen „Siegburger" Henkeltassen
die Westhofener um 1400 ihre Milch tranken, zeigt Abb. 32. |
Die Verteidigung der Freiheit war Aufgabe der Bürger. Hilfe leistete
das Aufgebot des Drosten zu Schwerte. Kriege, Brände und Krankheiten
brachten große Rückschläge: 1349 brach die Pest aus,
1374 geschah die Verbrennung durch die Truppen des Bischofs und Landesherrn
von Münster, 1424 erlebte die Freiheit den Aufenthalt bergischer
Söldner. 1458 durchbrach die Ruhr ihr Ufer und grub sich mit ihrer
nach monatelangem Schneefall entstandenen Wasserflut weiter nördlich
ihren heutigen Kurs. Das Jahr 1598 brachte spanische Soldaten und einen
Großbrand von 85 Häusern, außerdem die Pest. Im Dreißigjährigen
Krieg gab es Ausplünderung und die Pest des Jahres 1636. Ein Großbrand
war 1708, der nächste Brand im Jahre 1722.
Die Freyheit Westhofen hatte 1645/46 etwa 600 Reichstaler an Kriegssteuern
(Contributionen) aufzubringen, - bei 770 Reichstalern Gesamtausgaben.
Später als die erwähnten vier Tore war als fünftes die „neue" Niederste
Pforte gebaut worden, welche die Freiheit nahe der Kirche schloss. Der „Pulverturm" beim „Graben" trug
die Jahreszahl 1710. Der Kirchturm steht seit 1709, er hat den 1708 durch das
Feuer zerstörten Turm abgelöst. In der Nähe des Steinbecks-Siepens,
der nördlichen Westhofener Begrenzung, hatte der Reichshof ein „Melaten-Huyß" (Haus
für unheilbar Kranke).
Anm.: Nachdem „Verbesserten und Alten Kalender, auf das Jahr Christi
1773", herausgegeben mit Genehmhaltung der von Sr. Königl. Maj. in
Preußen in Dero Residenz Berlin gestifteten Academie der Wissenschaften
ist in dem anhängenden Verzeichnis derer in denen vornehmsten Städten
des westfälischen Kreises, auch benachbarten ansehnlichen Orten, bekannte
Kram-, Pferde- und Viehmärkte aufgeführt: Westhofen, 1 Dienstag nach
Judica, 2 den Montag nach dem 10. Oktober - Vieh- und Krammarkt.
40 Steuerzahler lebten im Jahre 1486 in der Freiheit. 1598 standen
hier 96 Wohnhäuser, nach dem Großbrand waren nur 11
unbeschädigt. Um 1719-1722 wohnten innerhalb der Mauern 474
Personen in 105 Häusern, zur Hälfte Erwachsene - darunter
11 Knechte und 18 Mägde. An Handwerkern gab es 7 Wollenweber,
6 Schuhmacher, 5 Schmiede, 3 Schneider, 6 Leineweber, 2 Hammenmacher
(Geschirrmacher) und 1 Radmacher. Es wurden 8 Braustellen und 8
Branntweinblasen erwähnt. Der Viehbestand war: 64 Ackerpferde,
268 Kühe, 316 Schafe und 11 Ziegen.
Später als der übrige
Reichshof geriet auch die Freiheit im 17. Jh. hauptsächlich
infolge des Niedergangs der Reichsmark in eine Krise. Der Kampf
um die Rechte erlahmte. Doch vom Jahre 1716 sind die Worte des
Bürgereides überliefert (Abb. 33), ein
Zeugnis für das Gewinnen des Bürgerrechtes vor dem vielgerühmten
Ofen.
Unvermindert war das Interesse an Geselligkeit, und die Schützen
erinnerten sich im Jahre 1710 sehr gut an die durch Feuer vernichteten
Niederschriften ihrer Rechte und Gewohnheiten (Abb. 34). Mit einem
Eid bekräftigten die Westhofener Schützen, daß sie
ihre Rechte seit dem Grafen Engelbert besitzen (siehe 1324). Ihr „Capitain" war
damals zugleich „Kirchenältester", dessen Nachfolger
ein amtierender Bürgermeister. |

Abb. 33 |
Abb. 34 (siehe auch Anhang Seite 24)
Im Jahre 1723 wurde den Westhofener Bürgern das Recht der freien
Ratswahl genommen. Zuletzt hatten 10 Ratsmänner und 3 Gemeinheitsmänner
dem Bürgermeister zur Seite gestanden, der von 9 Wahlmännern
aus den 3 Nachbarschaften gewählt wurde („Churherren der 3
Schichten").
Nun sollte ein Schlussstrich unter die Reihe von Namen gezogen werden, deren
Träger Bürgermeister der Freiheit Westhofen gewesen sind. Urkundlich überliefert
sind vom 15. Jh. bis zum Jahre 1723 folgende Namen: Johan Heetveldt, Herman
Berndes, Johan der Osten, Johan Schmedt, Frederich Linthlo gnt. Lennepesel,
Godert van Heck, Friedrich Vitte, Herman dar Oiste, Rotger Pütter, Herman
Schwartze, Jörgen Schnetler, Goddert Nettmann, Henrich Pütter, Henrich
Schwartze, Henrich Pütter d. J., Henrich Beckhaus, Rotger Veithaus, Rotger
Beckers, Diederich Weffer, Herman Weyschede, Henrich Ertmann, Jürgen Westerhoff,
Herman Beckhauß, Bernhardt Schnetler, Henrich Brinckman, Diederich Schnetler,
Henrich Braß, Herman Weffer, Joh. Eberhardt Westendorff, Johan Goßman
und Herman Pöppelmann.
Johan Goßman war zum erstenmal von 1706 bis 1707 zum Bürgermeister
gewählt worden. Von 1722 bis 1723 war er der letzte im Amt. Er soll sich
leidenschaftlich gegen die neuen Bestimmungen eingesetzt haben: durch einen
Ritt zur preußischen Regierung in Kleve und eine Bittschrift an den König.
Doch das neue „rathäusliche Reglement" wurde eingeführt,
und die alten Rechte wären gewiss einen Ritt nach Berlin wert gewesen
(siehe Anhang Seite 39).
Das Jahrhundert nach der Einführung der preußischen Verwaltungsvorschrift.
Nach dem Verlust der Selbstverwaltung im Jahre 1723 galt eine königliche
Vorschrift für alle vorkommenden rathäuslichen Geschäfte.
Sie nennt u. a. die Aufgabe des Protokollierens, der Polizei, der Kassenverwaltung,
der Pflege von Gebäuden und der Feuerwehrausrüstung. Als ordentliche
Ratstage wurden Montage und Donnerstage genannt.
Die Verwaltung wurde jetzt von einem Bürgermeister, einem Sekretär,
einem Ratsmann und zwei Gemeinsleuten besorgt (später gab es 2 Ratsleute).
Zusammen bildeten diese von nun an den „Magistrat". Zwar sollte
seit 1723 der Bürgermeister vom König ernannt werden, doch anscheinend
war mit der Ernennung Henrich Wevers, eines beliebten Mannes aus alter Westhofener
Familie, eine glückliche Wahl für die erste Zeit getroffen worden.
Der Kämmerer und Akzise-Inspektor (Steuer-Insp.) war zugleich Sekretär.
Nun verwaltete er die Gelder aus der neuerdings „königlich" genannten
Steuer. Seit 1731 gab es neue und straffe Haushaltspläne. Die Rechnung
musste, wie vorher, am 22. 2. dem Magistrat vorgelegt werden, zugleich weiterhin
den 3 Deputierten der 3 Nachbarschaften („Schichte"). Die Freiheit
konnte ihre Aufgabe mit eigenen Mitteln erfüllen. 1770 wurde Westhofen „Stadt
und Freyheit", seit 1817 nur noch „Stadt" genannt.

Abb. 35 |
Auf Henrich Wever (gest. 1738) folgte der erste „zugezogene" Bürgermeister:
Philipp Ludger König (gest. 1772), der bereits vorher Schwerter „Receptor" gewesen
war. Dann folgte König jun. als Bürgermeister und Receptor
(gest. 1780). „Gemeinheitsvorsteher" war der 1785 gestorbene
Rocholl. Danach hatte (1785) Märcker das Bürgermeisteramt.
1795 übernahm es als Letzter Georg Henrich Färber.
Denn unter der französischen Herrschaft verlor die Freiheit
das eigene Bürgermeisteramt. Nach den Freiheitskriegen arbeitete
ein von 3 Bürgern gebildeter Westhofener Gemeinderat mit dem
Schwerter Bürgermeister zusammen.
Das Rathaus am Kirchplatz
trägt die Jahreszahl 1741 im Wappen
der Freyheit (Abb. 35). Schon 1598 war ein Rathaus erwähnt worden,
aber im 17. Jh. nur, daß z. B. eine Sitzung im Hause des Bürgermeisters
Veithaus stattgefunden hatte. Die Freiheit hatte noch um 1800 ein
Armenhaus und ein Hirtenhaus. Die Tore und Mauern waren verfallen,
die „Freiheitsgräben" noch erkennbar. |
Die Landwehren waren im 18. Jh. größtenteils nicht mehr
in Ordnung. Die Ruhrbrücke wurde oft durch Eisgang gefährdet.
Im Jahre 1800 wurde sie durch die Hilfe von Freiwilligen gerettet,
die dafür auf jeden
Lohn verzichteten, - außer Bier und Branntwein. Zur Einnahme eines geplanten
Brückenzolles für Ausbesserungen war 1804 ein Brückenhaus
auf Garenfelds Seite im Bau. 1770 waren 3 alte Holzspritzen, 1 neue Metallspritze
und 156 Ledereimer für die Brandbekämpfung vorhanden. Jeder
Neubürger musste 1 Feuereimer für sich und 1 für das Rathaus
anschaffen. 61 öffentliche und private Brunnen lieferten das Wasser.
Die Ruhruferbefestigung („Kribbwerke") diente zugleich der
Sicherung der Gemeindeweiden und der gleichbleibenden Flusstiefe, welche
für die von ca. 1770-1860 durchgeführte Ruhrschiffahrt notwendig
war, die ohnehin an der oberen der 2 Brücken, der „Kuhbrücke",
große Vorsicht erforderte. Die Schiffbarmachung der Ruhr ab
Langschede und der Ausbau der Landstraße von Unna nach dort ergaben
sich aus dem Interesse des preußischen Staates am gesteigerten
Absatz der Saline Königsborn. Getreide für den Herdecker Kornmarkt
wurde auch transportiert. Fahrgäste hatten nach Tarif zu zahlen.
Wenn nötig, wurden die Schiffe von auf Leinpfaden gehenden Pferden
flussaufwärts gezogen.
1810 bzw. 1814 wurde, - nachdem die Freiheit den eigenen Bürgermeister
verloren hatte -, das Rathaus als Schule hergerichtet. Der Anbau
einer Lehrerwohnung war 1922 fertiggestellt worden. (Abb. 36).
Im Siebenjährigen Krieg kam es am 3. Juli 1761 zu einem harten Gefecht an
der Westhofener Ruhrbrücke (Abb. 37). Die Alliierten (Preußen,
Hessen und besonders Hannoveraner) griffen mit hierfür zusammengestellten
Grenadieren und leichten Reitern die Franzosen auf deren Nachschubroute an. Die
Franzosen hielten nach Verstärkung zuletzt ihre Brückenstellung. Aber
durch die sehr großen Verluste waren sie zugleich Sieger und Unterlegene
(siehe Anhang Seite 27). |

Abb.36 |

Abb.37
Während Napoleons Krieg sind russische Baschkiren durch Westhofen marschiert,
Sachsen, Braunschweiger, Russen und Schweden einquartiert und verpflegt worden.
1813 waren die ersten Befreiungstruppen Kosaken. Zwei junge Westhofener hatten
als Freiwillige gekämpft, einer überlebte. Die Erfahrungen dieses
Krieges führten auch in unserer Heimat zur Bildung von Kompanien aus geübten
Landsturmschützen. Sie wurden von Offizieren ausgebildet, rüsteten
sich selbst aus und wählten ihre Anführer.
König Friedrich II. von Preußen hat in der Wiederaufbauarbeit nach
dem Siebenjährigen Krieg eine Politik der wirtschaftlichen Unabhängigkeit
betrieben. Zu den konkreten Ergebnissen dieser Bestrebungen zählte vorrangig
auch die erhöhte Tucherzeugung. In der Freiheit Westhofen blieb im 18.
Jh. und bis in die Mitte des 19. Jh. die Wollenweberei und die Spinnerei der
Hauptgewerbezweig. Auch in Heimarbeit - oft nebenberuflich - arbeiteten
zahlreiche Weber für die Fabriken in Hagen und Herdecke. Anscheinend haben
alle Halbfabrikate von grobem Tuch hergestellt, welche an die auswärtigen
Tuchfabriken zur Fertigstellung geliefert wurden.
Soldaten, die für die Sicherung solcher Transporte oft eingesetzt wurden,
sollen damals in der „Kaserne am Gräbenken" ihr Quartier gehabt
haben. Seit der 2. Hälfte des 18. Jh. wurden in der Freiheit auch Ölmüller
(1767) genannt, nach der Jahrhundertwende ein Kupferschmied, ein Lohgerber
und ein Bäcker. Zwei Gastwirte wurden 1811 bzw. 1813 erwähnt. Haupterwerbszweig
blieb die Landwirtschaft.
Im Etat erschienen im 18. Jh. neben den Ausgaben für den Bürgermeister
und den „Kämmerer und Sekretär" auch die für3 Ratsmänner,
1 Ratsdiener, 1 Nachtwächter, 1 Schweinehirten, 1 Kuhhirten, 1 Schäfer,
den Prediger und den Oberbrandmeister (1768). (1783 wurden 2 Brandmeister genannt.)
Für 1736 ist hier ein „Doctor" nachgewiesen, aber unbekannten
Berufes, 1767 aber ein Chirurg (Wundarzt).
Durch die Lasten des Siebenjährigen Krieges war die Freiheit verschuldet.
Mehrere Bürger liehen ihr Geld. Zugunsten eines der Gläubiger verzichtete
sie später auf einige Weiderechte jenseits der Ruhr.

Die Pfarrgemeinde Syburg-Westhoven.
Die Zeit von der Gründung bis zum Jahre 1835.
Die Pfarrgemeinde Syburg umfasste für die Dauer von 5 Jahrhunderten 3
der 5 Bauernschaften des Reichshofes und ein benachbartes Dorf: Syburg, Westhoven,
Garenveld und Berchum. Holthusen und Wandhoven gehörten auch damals zur
Pfarrgemeinde Schwerte (Abb. 38, Wannebachgrenze). Bevor der Reichshof
politisch in die Grafschaft Mark eingegliedert worden ist, hatten sich die
Herren der benachbarten Grafschaft Limburg um 1243 das Patronatsrecht über
die Kirche von Syburg bewahrt: die verfeindeten Vettern blieben auf verschiedene
Weise mit Land und Leuten verbunden.
Die Freyheit Westhoven war Sitz der St.-Antons-Vikarie mit der St.-Aegidien-Kapelle
im Bereich der St.-Peterskirchezu Syburg. Dem Pfarrer zu Syburg (Syberg)
unterstanden die Vikare in Westhoven (1279) und Berchem (Berchum). Bereits
vor 1318 hat sich die Vikarie Berchum von Syburg gelöst und ist selbständige
Pfarrgemeinde geworden. Danach sollte für beinahe 6 Jahrhunderte
das Gebiet der Gemeinde unangetastet bleiben: Syburg, Westhoven und
Garenfeld bildeten die kirchliche Einheit.

Abb. 38
In Syburg erlangten die Verehrung der heiligen
Barbara und die Pilgerfahrten zur Petersquelle
im Mittelalter große Bedeutung. In den beiden
Wochen vor und nach dem St.-Markus-Tag
(25. April) erlebte der Ort Prozessionen und
einen Jahrmarkt mit Kirmes. Einen Ablassbrief
hat Papst Gregor X. auf Begehren der Burgmannen von Syburg im Jahre
1274 erteilt. Eine
kupferne Platte soll in Wort und Bild über Ver
gebung und Genesung sowie über die Einweihung der Kirche und des
Brunnens durch
den Papst Leo III. berichtet haben, der zusammen mit König Karl
abgebildet war. Doch die
Kirche war bereits 776 erwähnt worden, und
der Papst war erst 799 in Deutschland.
Den jährlichen „Send" (Synode) hielt der Bischof oder
sein Archidiakon am 31. Oktober in Syburg ab. Sieben vereidigte einheimische
Sendschöffen
wurden über Verbrechen, Laster und sittliche Zustände befragt
- auch Strafen auferlegt. Alte Bräuche waren hier die Hagelfeier
am Tage nach Fronleichnam und das Abholen von Gaben aus Hausschlachtungen
durch die Totengräber
und die Schulmeister am „Simpertag" im Februar.
Um die Mitte des 16. Jh. wurde auch diese Kirchengemeinde durch die neue
Lehre der Reformation angesprochen, die in vielen Fällen besonders
durch junge Pfarrer und Vikare aufgegriffen wurde. Im Jahre 1549 wurde
hier der Vikar beschuldigt, Grundsätze der großen Kirche abgelegt
zu haben. Pfarrer Herman Veithaus war der letzte Geistliche, der sich
an sie gehalten hat. Unter seinen Vorgängern
waren mehrere aus einheimischen Adelsfamilien gewesen. Schon 1550 erhielt
die Gemeinde ihren ersten lutherischen Pfarrer, danach den reformierten
Pfarrer Dietrich Lürmann. Kirchmeister waren 1584 Herman von Sodingen
und Herman Nigehaus (Neuhaus). Lürmann soll die Kupferplatte wegen
der geschichtlichen und religiösen Abweichungen beseitigt haben.
Offiziell wurde im Jahre 1624 in der Pfarrgemeinde das reformierte
Bekenntnis Kalvins eingeführt.

Abb. 39 |
Die Herren der Westhofener Vikarie waren bis 1591 die „von
Spyker". Sie übertrugen die zur „Schlosskapelle" gewordene
Aegidienkapelle und die Vikarie im Jahre 1590 dem Pfarrer Lürmann.
Gepredigt wurde nun in Westhofen, in Syburg dagegen für fast
2 Jahrhunderte nur noch an 6 hohen Feiertagen des Jahres. Nach einer
Erweiterung um 1668 wurde das Gotteshaus Kirche genannt und von 3
Vierteln der Gesamtgemeinde besucht. Doch zum letzten Gang wurden
alle zum Friedhof an der Syburger Kirche geleitet, in der die Andachten
waren. Zwei Westhofener Kirchwege und der Garenfelder Pfad führten
dorthin. Seit 1776 musste der Pfarrer zu Westhofen im Sommerhalbjahr alle
2 Wochen und im Winterhalbjahr alle 4 Wochen in Syburg predigen.
Im Kirchenvorstand besaßen die Westhofener längst den
stärksten Einfluss, doch erst um 1835 kam diese Stellung offiziell
zum Ausdruck. Man schrieb nun: Westhofen-Syberg. |
Abb. 40
Die im Jahre 776 erwähnte Syburger Kirche und die Westhofener Kapelle
von 804 sind wahrscheinlich Holzbauten gewesen, an deren Stelle später
Bauten aus heimischem Sandstein gesetzt wurden. In Syburg hat schon vor etwa
1000 Jahren ein rechteckiger Saalbau gestanden, dessen Größe von
11,50 m Länge und 7,50 m Breite bei einer Ausgrabung in den Jahren 1950/51
erkennbar wurde (Abb. 40). Eine alte Sage erzählt von Tempel und
Standbild aus heidnischer Zeit. Fest steht, daß eine entdeckte kreisrunde
Grube unter der Mitte des alten Bauwerks nicht mit Kenntnissen der christlichen
Baukunst erklärt werden kann. 1169 entstand die Kirche aus Sandstein im
romanischen Stil jener Zeit. Damals wurde im wesentlichen das Bild geprägt,
das bis heute den Menschen von etwa 30 Generationen vertraut geworden ist (Abb.
39). Der gotische Chor hat im 14. Jh. einen romanischen ersetzt. An Glocken
soll die Kirche 2 große und 2 kleine gehabt haben, davon 2 aus dem Jahre
1504.
1673 sind Kirche und Kirchenarchiv durch fremde Soldaten in Brand gesteckt
worden. 25 Jahre danach setzte der Wiederaufbau unter Verwendung von Spenden
aus Deutschland und Holland ein.
Das Syburger Pfarrhaus erfüllte seinen Bestimmungszweck bis 1590. Beim
Wallfahrtsziel „Petersbrunnen" stand ein Haus, das noch lange
im Volksmund „Kloster" genannt wurde, vielleicht wegen der Betreuung
erschöpfter Pilger (Abb. 41).
Auch in Westhofen ist - wie üblich - wiederholter Neubau an dem im Jahre
804 ausgewählten Standort anzunehmen. Die 1591 gekaufte Kapelle der Familie
von Spycker wurde um 1668 erweitert. Auch Chor und Glockenturm wurden
gebaut. Der große Brand des Jahres 1708 zerstörte Turm und Glocken.
1709 geschah der Neubau des heutigen Turmes, 120 Jahre später ist das
Kirchenschiff wegen Unstabilität von Mauerwerk und Dach abgebrochen
worden. Von 1831 bis 1835 entstand für 6000 Taler das neue größere
Kirchenschiff. Das Wohnhaus für einen Vikar wurde vor 1600 zum Pfarrhaus.
Ein nördlich bei der Kirche stehendes neues Pfarrhaus wurde 1708 gebaut
(1911 als Werkstatt und Scheune abgebrannt). Es bildete einen Endpunkt des
dreiseitigen Rahmens, aus dessen Mitte der Glockenturm ragte (Abb. 42). Die
Küsterwohnung lag am nordwestlichen Eingang zum Kirchplatz („Kirchhof").
1706 übernahm dort ein Lehrer zugleich das Küsteramt, und ein Unterrichtszimmer
wurde angebaut. So wurde die Küsterwohnung auch zur Lehrerwohnung.

Abb. 41 |

Abb. 42 |
Der 1489 genehmigte Bau einer Kapelle in Garenfeld ist anscheinend nicht
ausgeführt worden. Der Pfarrei Syburg gehörte das St.-Peters-Gut
in Garenfeld mit dem Kornhaus. Dort wurden die Getreideabgaben zusammengetragen.
Ungefähr die Hälfte der kirchlichen Einnahmen trugen die Garenfelder
Höfe.
Der Kirche stand die Aufbewahrung von „Saat und Maß" im Kornkasten
des Kirchengutes zu: „Rentenkorn" und „Vrogscheppel" (geeicht).
Auf dem Hofe zu Westhofen stand ein zweiter Kornkasten mit dem kirchlichen
Reichsscheffel. Nur Bier aus der „Kirchenbraupfanne" durfte
in den Handel kommen. Die „Scharbeile" zur Bestimmung der zu fällenden
Bäume wurden in der Westhofener Kapelle aufbewahrt. Die Besichtigung des
Markengebietes musste in der Kirche bekannt gegeben werden. Der Pfarrer
durfte Holz, Mast und Land für sich benutzen, jedoch nichts verkaufen.
Die Pfennigrente war eine ständige Einnahme aus den Höfen. Nachweislich
leisteten die
Westhofener Schützen im 17. Jh. zu Pfingsten dem Pfarrer eine Abgabe,
im 18. Jh. zahlten sie jährlich einen Reichstaler. Nach 1840 spendeten
die Schützen ihr gesamtes Kapital zur Anschaffung einer neuen Kirchenorgel.

6. Das Amt Westhofen
in der preußischen
Provinz Westfalen
Verwaltung und Bürgerschaftsvertretung.
Nach der Bildung der Provinz Westfalen (1815) wurde die Bürgermeisterei
Schwerte 1816 dem Kreise Dortmund im neugeschaffenen Regierungsbezirk Arnsberg
angeschlossen. In den folgenden Jahrzehnten ist einer der zwei Beigeordneten
als Westhofener nachgewiesen: der Fabrikant und Chronist Heinrich Moritz Nettmann.
Das Amt Westhofen als Verwaltungseinheit entstand 1838 nach dem Austritt der
Stadt Schwerte aus der Bürgermeisterei Schwerte. Das Amtsgebiet vereinigte
die Stadt Westhofen und die Bauernschaften Syburg, Holzen, Wandhofen, Garenfeld
sowie Lichtendorf (mit Overberge), Geisecke und Villigst (mit Rheinen) (Abb.
43), deren Sprecher 7 Vorsteher waren. Nach Ausrichtung auf die Landgemeindeordnung
gelang es Westhofen erst 1848, auch Amtssitz eines gewählten Amtmannes
zu werden, dem ein Beigeordneter zur Seite stand.

Abb. 43
In Westhofens Mitte - auf dem heutigen Marktplatz - wurde ein großes
Bauernhaus zum Amtmanns-Haus. Gegenüber stand das Haus mit den Schreibstuben
und der Arrestzelle. Nach 1900 entstand das neue Verwaltungsgebäude östlich
des alten Stadtkerns. Nach der Abtrennung der östlichen Wälder der
Garenfelder Mark wurde auch Rheinen aus dem Amtsgebiet herausgelöst, 1929
die Gemeinde Hohensyburg. Im Zuge der Neuordnungen wurde das Amt 1887 dem Kreis
Hörde und 1929 dem Kreis Iserlohn angefügt. Zum Kreis Hörde
gehörten z. B. Schwerte, Annen, Hombruch, Aplerbeck, Solde, Holzwickede
und Opherdicke. Der Kreis Iserlohn reichte von hier bis Lendringsen, von Hohenlimburg
und Letmathe bis Hemer.
Die 300jährige Zugehörigkeit der Grafschaft Mark zu Preußen
war 1909 in Hohensyburg der Anlass zu einer glanzvollen Feier in Anwesenheit
des Kaiserpaares vor dem 7 Jahre zuvor eingeweihten Denkmal, flankiert von
dem 1857 eingeweihten Vincke-Turm.
Die Verwaltungschefs des Amtes sind die Herren von Basse (nacheinander 2 Brüder),
Schulze-Vellinghausen, Freiherr von der Heyden-Rynsch, Rebber (Abb. 44), Graf
von Haslingen, Edler von Daniels (Abb. 45), Arndt und Hümme gewesen.
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Abb 44 Julius Rebber |
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Abb 45 Maximilian Edler von Daniels |
Das Gebiet des Amtes Westhofen. Einem Korridor ähnlich
erkennt man Schwerte.
1 hm
Bei der Amtsverordnetenversammlung hatte der Amtmann den Vorsitz. Im
Jahre 1930 gehörten ihr 19 gewählte Amtsverordnete an, darunter 5 aus Westhofen
mit Buchholz. 3 Mitglieder waren als Beigeordnete tätig. Der Verwaltungschef
wurde inzwischen Bürgermeister genannt. Unter der Regierung Hitler folgte
1933 die Abschaffung der freien Wahlen.
Die Stadt Westhofen in der Zeit vom 19. Jh. bis 1945.
Das Gebiet von der Ruhr bis zum Wannetal galt nun als „Stadt Westhofen".
Denn zu der alten „Freiheit" sind die Ortsteile Buchholz und Wanne
hinzugefügt worden. 3 Westhofener waren Ratsleute des Amtes Schwerte.
Nach der Auflösung dieses Amtes und der Gründung des Amtes Westhofen
(1838) hatte die Stadt um die Mitte des 19. Jh. 5 bis 7 Stadtverordnete. Aus
jener Zeit und bis nach dem Ende des 1. Weltkrieges sind folgende Namen von
Stadtvorstehern bekannt: Wilhelm Mehring, Wilhelm Rincker, Wever gen.Tengel
und Heinrich Westerhoff. Nach der Zeit des „Arbeiter- und Soldatenrates" übernahmen
von 1919-1933 diese Aufgabe: Oskar Elison, Friedrich Fritzenkötter und
Wilhelm Krämer, der 1930 einer von 14 gewählten Vertretern war.
Stellvertretend für die Reihe der Stadtvorsteher sehen wir hier:
Wilhelm
Rincker, den Glockengießermeister (Abb. 46), Oskar Elison (Abb.
47)

Abb 46 Wilhelm Rincker |

Abb 47 Oskar Elison |
und den Gießereigründer Fritz Fritzenkötter als Schützenkönig
(Abb. 48).

Abb 48 Fritz Fritzenkötter

Abb. 49
Zu den stadteigenen Gebäuden gehörten die Schule und die Gerätehäuser,
vermutlich auch ein späteres Bürgerhaus, das die Stadt früher
zugunsten ihrer Armenkasse vermietet haben soll. Nach der Einrichtung des Rathauses
als Schule wurde der Verkaufserlös des älteren Schulraumes für
den Anbau der Lehrerwohnung verwendet (1822). Der älteste Bau auf dem
heutigen Schulgelände entstand 1874/75 und 1890, dessen Anbauten 1927
und 1937 und die Buchholzer Schule 1904. Die Lage von 3 Feuerwehr-Spritzenhäusern
im ehemaligen Rathaus bzw. an der Hauptstraße ist ziemlich bekannt, eines
an der Stelle des 1895 errichteten Ehrenmals. Es gab auch besondere Leiterhäuschen
und eine Wachstube (1826). Noch in unserem Jh. standen Spritzenhäuser
vor dem Feuerteichweg und am Kirchturm, ein Feuerwehrturm auf dem Schulhof
(Abb. 49); dann diente das Erdgeschoß des Schulanbaues von 1927
der Feuerwehr.
Nach der Neupflasterung der Hauptstraße im Jahre 1819 mit den Steinen
der Hohlwegspforte brachten Bürgerbeteiligung und Gemeindekasse
die Erstpflasterung der übrigen Straßen des Stadtkerns bis
1824 zustande, eine Gesellschaft dann 1844-46 den Ausbau der ganzen „Actienstraße" von
Schwerte nach Eckesey. Die den 3 angrenzenden Gemeinden gehörende
Ruhrbrücke
zerbrach 1831 und 1880. Der Neubau von 1832 und die Betonbrücke
von 1928 brachten Verlegungen nach Westen. Die Kuhbrücke war
1827 eingestürzt,
und 1921 /22 hatte dort am Ruhrbogen die letzte hölzerne Brücke
ausgedient. Die Durchführung der Eisenbahnstrecke (1864-67) ließ Wärterhäuschen
entstehen, 1872 den Bahnhof (Abb. 50) und um 1912 die Über- und
Unterführungen.

Abb 50
Seit 1820 wurden die verstorbenen Westhofener auf dem Totenhof
an der westlichen Ausfahrstraße bestattet, seit ca. 1876 auf
dem Friedhof vor dem Wald. Ein alter Judenfriedhof lag weiter westlich
vor der Steinkuhle. 1846 löste das Postkontor vermutlich eine
alte Sammelstelle ab. Der Wirt Hügemeier stand der ersten Expedition
in seinem eigenen Hause vor (Abb. 51). Ein eigenes Postgebäude
entstand 1928. 1902 bestand die erste Apotheke am Ort. |

Abb 51 |
In diesem Gebiet zwischen Ruhr und Wannetal lebten in
den Jahren 1818,1870,1925 und um 1937:795,1435, 2380 bzw. 2666 Einwohner.
1818 bzw. 1925 standen 129 und 289 Häuser. 1858 war die Fläche 837 ha groß.
Die Geselligkeit wurde im 19. Jh. belebt, das Interesse für Sport und
Musik angeregt. Die Schützen der „Freiheit", ebenso alt wie
diese, deren ernste Pflichten bis in die Zeit des Grafen Engelbert zurückgingen
(1324), pflegten weiterhin ihr friedliches Königsschießen. Pfarrer
Neuhaus schrieb 1834: „Die zunehmende Volksbildung war unverkennbar".
Lehrer Becker bezahlte selbst längere Zeit einen zweiten Lehrer. Er gab
unentgeltlich Schwimmunterricht und gründete 1834 den Sängerchor „Eintracht".
Eine die Leistung steigernde Konkurrenz bildeten später die anderen Männergesangvereine:
der von 1859 (Abb. 52) und „Sangeslust" von 1900. 
Abb 52
Daneben stimmte
später der „Arbeitergesangverein" ins Chorlied ein. Der
Krieger- und Landwehrverein von 1860 übernahm u. a. Aufgaben des
durch Absterben gelöschten überörtlichen Begräbnisvereins
der Kriegsveteranen.
Vorrangig war zunächst die Pflege der Kameradschaft, dann zunehmend
die Verehrung des Kaisers. Die Gründung des Turnvereins „Teutonia" von
1883 wurzelte in der deutschen Einheitsbegeisterung der 48er Zeit, die
durch Schaffung der nationalen „Einigung von oben" verwandelt
war. Der 1900 gegründete Turnverein „Eintracht" betonte
die Kameradschaft gerade beim Bauen der „Turnerpyramiden" in
Asbecks Saal hinter der Wirtschaft (Abb. 53). 1926 entstand das durch
die Möhne-Flut
zerstörte Freibad „Auf der Klüse". Die Kegelfreunde
vergnügten
sich draußen an Lenninghaus' Wirtschaft, dann auf Schmiemanns (Abb.
54) steinerner Bahn und später in den Räumen zweier Wirtschaften.

Abb 53 |

Abb 54 |
In verschiedenen Anschlüssen an die Turnvereine und die Feuerwehr
bildeten sich früh kleine Gruppen der Spielleute, aus denen sich
das Trommler- und Pfeiferkorps entwickelte. 1899 bildeten einflussreiche
Männer den
Verschönerungsverein, dessen Vorsitzender Amtmann Graf Haslingen
war. Der bestehende Sauerländische Gebirgsverein ging in ihm auf,
entstand jedoch 1916 neu. Außer der Organisation der Freiwilligen
Feuerwehr (1902) und der Taubenhaltung gehen die weiteren Vereinsgründungen
in die Zeit nach dem I. Weltkrieg zurück. Die jungen Männer
des Vereins für
Bewegungsspiele von 1919 suchten vorzugsweise beim Fußballspiel
Mannschaftssport ohne Belastung durch Tradition. Tierzuchtvereine entstanden
aus Spielfreude und aus Nützlichkeitswünschen: mit den Reisetauben
der „Heimkehr" von
1897 und zuletzt der planmäßigen Ziegenzucht und der Kaninchenhaltung.
Die Bienenhaltung war immerhin so bedeutend, daß 1897 ein mehrtägiges
Westfälisches Verbandsfest in Westhofen durchgeführt wurde.
Auch der Gartenbauverein ist hier zu nennen. Im Kanarien-Zuchtverein
von 1933 wurde auch Gesang geboten. Zugleich mit dem Aufleben des Theatervereins
und des Zithervereins im Jahre 1920 begannen auch für Westhofen
die „goldenen 20er Jahre" einer
ausbrechenden und überschäumenden Fröhlichkeit trotz
bedrückender
Alltagssorgen.

Abb.
55 |
Die Theaterspieler kannten als Westhofener „Jungens und
Daierns" den Geschmack ihrer Mitbürger, und auch die Turner-Clowns
ernteten Lachstürme, wenn sie sich mit Kinderwagen zum Turnreck
auf die Bühne in Fritzenkötters Saal (Abb. 55) fahren ließen.
Die Gaststätte Breer entwickelte sich aus einem Bauernhaus.
Der „Stenographenverein Stolze-Schrey" pflegte seine Kurzschrift
und Geselligkeit seit 1922.
Zusammenschlüsse der Gesangvereine (1932) und der Turnvereine (1933) steigerten
die Entwicklungsmöglichkeiten, waren aber zugleich bei zerfallender
alter „Dorfgemeinschaft" eine Folge nachlassender Kraft, die gleichzeitig
der politischen Gleichschaltung zu widerstehen hatte. |
Ortspflege, Begrünung und die Archivierung geschichtlicher Unterlagen
und Gegenstände wünschten gewiss ernsthaft die 110 Mitglieder des
Vereins für Orts- und Heimatkunde „Freiheit Westhofen" von
1933, der 1936 einen einmalig farbigen - gefilmten - Festzug zum Kreisheimatfest
in Westhofen hervorzauberte. Der Kleinkaliberschützen-Verein von 1933
war formal Träger des Schützenfestes von 1937, ein Schießverein
hatte schon 1893 an der Rettelmühle „gezielt".

Adolf Ebeling (Abb. 56) |
„Ungekrönter König" der Geselligkeit war Adolf
Ebeling (Abb. 56). Als oberster Schützenbürger förderte
und erneuerte er das Brauchtum, liebte er anspruchsvolle und von
Humor getragene Unterhaltung und witzige Streiche. Er verband
mühelos scheinbare Gegensätze: Management und Volkstümlichkeit,
Geschichte und Gegenwart. In seinen Händen wurde ein Fest zum
Kunstwerk und aus seinem Munde eine Festrede zum erlebbaren Geschehen
voll märchenhafter Spannung.
Die Nachbarschaftsfeiern zum 22. Februar
sind hier neben den Schützenfesten die älteste Form der
Geselligkeit. Ihren Ursprung sehen wir in der Tätigkeit der
3 „Schichte" der
alten Freiheit, welche die Bürgermeisterwahlen und gegenseitige
Hilfe betraf. Das Wahlrecht war ihnen 1723 genommen worden, den
dazugehörenden
Umtrunk ließen sie sich nicht rauben. Die Aufnahme neuer
Nachbarn - jetzt durch den „Schräpper" am heißen
Ofen - und Pflichten wie das Tragen verstorbener Nachbarn
zum Grabe blieben erhalten. |
An die beiden Haupterwerbszweige Landwirtschaft und Tucherzeugung
erinnerten 2 Zeilen eines 1819 entstandenen Gedichtes: „Westhofen
bauet, schmucklos in der Nähe - sein reiches Feld und webet
rastlos Tuch". Als in Nettmanns Tuchweberei im Jahre 1816 Spinn-
und Schermaschinen aufgestellt wurden, war dies der Übergang
von der Heimerzeugung zum Werksbetrieb (Abb. 57). 1823 arbeiteten
dort 120 Personen. Die Verlegung nach Elsey (1830) machte eine Ausdehnung
möglich. Für Westhofen bedeutete sie, daß ein zweites
Mal in 3 Jh. ein wirtschaftlicher Aufstieg entscheidend gebremst
wurde. |

Abb. 57 |
Doch hier wurde nun auch Blaufärberei betrieben sowie Wirkerei,
Lohgerberei, 2 Grützemühlen und Tabak- und Zigarrenfabrikation,
die als einzige von diesen auch vor einem Jh. noch fortgesetzt wurde.

Abb. 58 |
Von 1830 bis 1850 ist der Wohlstand sichtbar „gesunken, die
Armut besorgniserregend angewachsen". Hinzu kam ein Anstieg
der Bevölkerungszahl von 1853 bis 1889 um 61%. Die 1850 gegründete
Glockengießerei Rincker gewann mit der später gebauten
Werkstatt zunehmend an Bedeutung, bevor sie überwiegend in eine
Gelbgießerei auch für andere Artikel umgewandelt wurde.
Die Gelbgießerei Fritzenkötter erschmolz 1896 den ersten
Guss. Die Brauerei Wittekind GmbH war bis 1916 in Betrieb (Abb. 58).
Sie hatte bis 1873 eine Vorgängerin an der Hauptstraße
gehabt, deren Gebäude von 1890 bis 1918 der Schlossfabrik Kogelheide
diente (Abb. 51). |
Ein Teil der Räume der Wittekindbrauerei wurde für Eisenverarbeitung
eingerichtet. Schon vorher hatte eine kleine Schmitte neben dem alten Friedhof
Eisenwaren erzeugt. Die Steinbruchindustrie erlebte während des Baues
der Eisenbahnstrecke einen Aufschwung. Einen Ebberg-Steinbruch aus der Kette
von Brüchen zeigt Abb. 59.
Abb. 59
1866 ließ sich eine Papiergroßhandlung nieder, auch
Kohlenhandel setzte später ein. Industrialisierung im Metallbereich
wurde begünstigt durch die Fertigstellung der Eisenbahn (1867)
und des Bahnhofs (1872). 1895 entstand die „Turn-, Sport- und
Feuerwehrgerätefabrik" und 1908 die Baubeschlägefabrik
Borggräfe, die sich einerseits zu den Stahlwerken Brüninghaus/Werk
West und andererseits zu den Wittekindwerken für Eisenbahnbedarf
des Adolf Ebeling und dann zu Brüninghaus/Werk Ost entwickelten.
Jahrzehntelang war Hermann Schiermeyer Direktor des Unternehmens
(Abb. 60). |

Abb. 60 |

Abb. 61 |
Zeichen zunehmender Lebendigkeit war auch die „Westhofener
Zeitung" (Abb. 61: Ausg. 1901).
In der Zeit vor dem I. Weltkrieg verfolgen wir die Gründung der Ringofen-Dampfziegelei
(1901), der Westhofener Sandsteinbrüche GmbH, der Kittfabrik (1912) von
Arthur Nettmann (Abb. 62) und eines kleinen Wasserwerkes des Kreises Hörde
(1902) für Westhofen und einen Teil der Umgebung (Abb. 63), außerdem
eines kleinen Elektrizitätswerks der Hörder Kreisbahn, das den Strom
für die 1902 gebaute Straßenbahn und für private Nutzung lieferte.
Das größere Wasserwerk nahm 1913 die Arbeit auf, das Turbinen-Kraftwerk
1923. Die Versorgung mit Gas wurde 1928 möglich. Die Nebenstelle der Sparkasse
Schwerte-Westhofen hat 1918 ihre Schalter geöffnet.
|
Arthur Nettmann (Abb. 62) |

Abb. 63 |
Nachdem schon um die Mitte des 19. Jh. die übrige Wollenweberei
und andere Gewerbe abgestorben waren, blieb - nach Stilllegungen der
Glockengießerei,
der Brauerei und der Schlossfabrik im 1. Viertel dieses Jh. - im wesentlichen
ein Bestand des Handwerks in den Bereichen des Bauens, der Bearbeitung von
Holz und Metall für Bauten und Wohnungseinrichtung und in der Lebensmittelbranche.
2 Gärtnereien gingen auf Gründungen vor 1900 zurück. Die Bedeutung
der metallverarbeitenden Betriebe nahm zu, während in der Landwirtschaft
die Beschäftigtenzahl sank. Im Jahre 1937 beschäftigten die Stahlwerke
Brüninghaus etwa 800 Personen, die Landwirtschaft unseres Gebietes
etwa 50. Als Zeichen des gestoppten Fortschritts ruhte seit 1939 die Auffüllung
des Autobahndammes.
Im Jahre 1853 lebten hier 1073 und 36 Jahre später 1729 Personen. 1900
waren es 2091, und im Jahre 1939 waren 2901 gemeldet.
Nach einem Gefallenen während Napoleons Krieg waren in denen der folgenden
132 Jahre viele Westhofener zu beklagen: 1870/71 - 5, 1914-18 - 64, 1939-45
aber 123 Gefallene, 43 Vermisste, dazu 37 weitere Todesopfer von Krieg und
Politik, unter ihnen 10 durch Bomben in 2 der 3 zerstörten Häuser
am Alten Hellweg und an der Bahnhofstraße, 3 Westhofener, 2 Ausländer
und 2 Auswärtige am 13.4.1945 und 4 Westhofener in Vernichtungslagern.
Einen Nachmittag und eine Nacht hindurch dauerte der Beschuss der Stadt
Westhofen, bevor amerikanische Truppen am 14.4.1945 einmarschierten. Dabei
starben auch deutsche Soldaten, von denen sicherlich 8 in Westhofener Erde
ihre letzte Ruhe fanden.

Die Geschichte des Amtes Westhofen in der Zeit vom 19. Jh. bis 1945:
Wirtschaft, Verkehr, Versorgung und Kriegseinwirkungen.
Bei der Bildung des Amtes setzte sich die Fläche aus den 36 qkm
des ehemaligen Reichshofes und den etwa 15 qkm der östlichen Gemeinden
zusammen. In den ländlichen Gemeinden blieb die Landwirtschaft länger
der Haupterwerbszweig als in Westhofen. So waren dort noch um 1900 die älteren
Besitzer fast ausschließlich Ackerbürger. Die größten
Grundbesitzer waren die zumeist' adligen Familien der Rittergüter
zu Husen, Steinhausen, Wandhoff und Ruhr, zu Rutenborn (Abb. 64) und
Villigst (Abb. 65) und auch zu Haus Busch in Kabel. Zu allen haben private
Kornmühlen gehört,
von denen zuletzt noch 3 arbeiteten, dazu die Mühle in der Wanne. Das
Gut Kückshausen hatte lange Zeit mit dem Steinhausener Besitz eine Einheit
gebildet. Das große Gut „Reichsmark" entstand 1849.

Abb. 64 |

Abb. 65 |
Nicht nur der Nahrung, auch dem Genuss wurde hier Getreide zugeführt,
das dann als Rutenborns „Schloßhäuser", als „Reichsmärker" und
als Holzener Kornbranntwein auf den Markt kam. Die älteste
größere Anlage der Eisenverarbeitung ist die 1819 durch Johann
Diedrich Theile (Abb. 66) gegründete Kettenfabrik am Elsebach in
Villigst. Von Syburg aus gelangten Holzkohle, Steinkohle und später
Karabinerhaken in den Handel. Die häufig stilliegenden Syburger
Steinbrüche wurden durch den Bau des Denkmals belebt. Die Kornmühle
an der Lenne wurde 1888 zur Holzschleiferei. In Holzen backte man schon
um 1900 „Schwerter Brot" und Mauerziegel. Die Bergleute gingen
schließlich zu den auswärtigen Kohlegruben und seit der
Industrialisierung zunehmend als „Pendler" aus den sich bildenden
Wohngebieten in die erreichbaren Fabriken.

Johann Diedrich Theile (Abb. 66)
Im frühen 19. Jh. geschahen im Straßennetz die Neuanlagen von Westhofen
nach Holzen, von Westhofen nach Schwerte und von Wandhofen bis Holzen. Ausgebaut
wurde die Höchstener Chaussee und 1844-46 die „Actienstraße" von
Schwerte bis Eckesey. Zum Gemeindeweg wurde die spätere Straße Syburg-Westhofen.
Ruhr und Lenne überwanden 3 Holzbrücken, so wie die von 1880 bei
Westhofen (Abb. 67), dazu seit 1891 die private Drahtseil-Hängebrücke
in Geisecke (Abb. 68). An dieser „Wippbrücke" und am Garenfelder
Brückenhaus war Brückengeld zu entrichten - von einer „Zeche" abziehbar.
Beide Brücken wurden 1928 durch massive ersetzt, bei Villigst schon 1892.
Um 1928 entstanden auch die Betonstraße Garenfeld-Ergste und die Kreisstraße
Geisecke-Rheinen.

Abb. 67

Abb. 68
Abb.
69 |
Die Eisenbahnstrecken Hagen-Unna (1867), Schwerte-Iserlohn (1910)
und Schwerte-Dortmund (1912) durchquerten Syburger, Lichtendorfer
bzw. Wandhofener Gelände. Villigst wurde berührt. Geisecke
erhielt wegen des Wellenbades bald eine Haltestation der 1870 eröffneten
Arnsberger Strecke. Im Jahre 1902 ist die elektrische Straßenbahn
von Schwerte über Wandhofen nach Westhofen eröffnet worden
(Abb. 69), an die sich 1903 die Syburger Bergbahn anschloss (Abb.
70).

Abb. 70 |
Eine Pumpstation entstand nach 1900 in Villigst, weitere Anlagen des Dortmunder
Wasserwerks in Geisecke. Allmählich setzte die Stromversorgung ein,
die mit Gas um 1928.
1943 ergossen sich die Fluten der torpedierten Möhnetalsperre durch das
Ruhrtal und rissen getötete Menschen und Tiere mit sich. Bomben brachten
Tod und Zerstörung, so auch 1944 in Westhofen an der Ecke Bahnhofstraße/Niederstraße
(Abb. 71). In den 10 Jahren der Weltkriege griff der Tod nahezu 1000mal gewaltsam
in die Reihen der Bevölkerung, deren Zahl im Amtsgebiet jeweils unter
10000 lag. Die französische Besatzung von 1923/24 in den Gemeinden Syburg,
Westhofen und Holzen und die Besetzung durch Amerikaner und Engländer
im Jahre 1945 waren ein Höhepunkt und ein Einschnitt einer Zeit organisierten
Völkerhasses, den dennoch schon vor genau 50 Jahren Menschen mit freier
Gesinnung zur Verständigung nutzten.

Abb. 71

Aus dem kirchlichen Leben in der Zeit vom 19. Jh. bis 1945:
Organisation, Persönlichkeiten, Bau- und Vereinstätigkeit.
Das kirchliche Leben entfaltete sich damals im Ruhrtal - ebenso wie im
ganzen Königreich Preußen, seit 1871 Schwerpunkt des neuen
Deutschen Kaiserreiches - mehr oder weniger unter dem Einfluss der politischen
und wirtschaftlichen Entwicklung: der Wiederherstellung alter überlebter
Formen, der Bürgeraufstände
und der Kriege von 1864,1866 und 1870/71. Die frühe Industrialisierung
und die Bevölkerungszunahme gingen einher mit wachsender Massenarmut und
der beginnenden Abwendung vieler Arbeiter von den Kirchen. Auf 4 friedliche
Jahrzehnte wirtschaftlicher Blüte und nationaler Schwärmerei
am Ende der so genannten „guten alten Zeit" folgten die schicksalsschweren
Jahre von 1914 bis 1945 mit tausendfachem Kriegstod junger Mitbürger vom
Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten Krieges —, dazwischen Not-
und Revolutionsjahre in der jungen Republik. In direkte Gegnerschaft stellte
sich der Staat im „Kulturkampf" der 70er Jahre gegen die katholische
Kirche und unter der Regierung Hitler von 1933 bis 1945 gegen alle Religionsgemeinschaften.
Bald nach der ersten Anregung, die reformierten und die lutherischen Gemeinden
zu einer evangelischen Kirche in Preußen zu vereinigen (1817), ist
die reformierte Gemeinde Syburg-Westhoven der „Union" beigetreten.
Somit zog man hier einen Schlussstrich unter die jahrhundertelange Überbetonung
der unterschiedlichen Deutung des Abendmahls. Andererseits festigte sich die
viel kritisierte Bindung von „Thron und Altar". Auch diese „Altpreußische
Union" war in Kirchenprovinzen, Kirchenkreise und Gemeinden gegliedert.

Abb. 72 |
Nachdem im Jahre 1897 Syburg als selbständige Kirchengemeinde
abgetrennt worden war, bildete es mit dem Ortsteil Buchholz/ Wanne
einen der 4 kirchlichen Mittelpunkte innerhalb der politischen Grenzen
des Amtsgebietes: Westhofen, Schwerte (für Holzen, Wandhofen,
Lichtendorf, Geisecke und Villigst) sowie Syburg und Höchsten
als Teil des großen Dortmunder Pfarrbezirks.
Außer den Pfarrkirchen in Westhofen, Hohensyburg und Schwerte
gab es noch 2 kleinere Kirchen: die zu Holzen-Sommerberg gehörende
und die in Geisecke (gebaut ca. 1900). Der Kirchturm von 1709 ist
Westhofens ältestes Gebäude (Abb. 72).
Das alte Pfarrhaus nördlich neben der Westhofener Kirche hatte
1847 ausgedient, wurde Scheune, Stall und Werkstatt und brannte 1911
zu Neujahr ab. Von 1845 bis 1847 war das jetzige Pfarrhaus errichtet
worden. 3 bronzene Glocken goss der Westhofener Glockengießer
1850 in einer beim Pfarrhaus dafür aufgestellten Werkstatt.
Schon 8 Jahre nach dem 1909 durchgeführten Umguss mußten
die beiden großen Glocken der Kriegswirtschaft zum Einschmelzen
geopfert werden. Die vorhandenen Gussstahlglocken entstanden 1920.
Eine gebrauchte Orgel ist 1847 angeschafft worden, eine neue 1897.
Im Jahre 1926 wurde der Grundstein des Gemeindehauses gelegt. |
Die Gemeinde hatte auch im 19. Jh. das Recht der freien Pfarrwahl. Das
Presbyterium bestand außerdem Pfarrer aus 10 Mitgliedern; 5 Stimmen
hatte Westhofen, 3 ½ Garenfeld und 1 ½ Syburg. Seit 1550
hatten der lutherische Pfarrer E. Werlemann und die reformierten Pfarrer
D. Lürmann, H. Waßmann,
H. Ludgerus, H. Brüggemann, C. Wever, J. C. Wever und C. F. Schemmann
als Geistliche gedient. Die Namen der Kirchmeister und „Ältesten" sowie
der Provisoren seit 1584 sind z. T. bekannt. Nach ziemlich unruhigen Jahren
zwischen 1817 und 1829 folgte auf die verzichtenden G. Hackländer
(reform.) und F. W. Umbeck (luth.) Pfarrer Ludwig Neuhaus (Abb., Silhouette
Mitte 19. Jh.), der 54 Jahre im Amt war. Etwa 20-mal im Jahr begab er sich
zu Pferde hinauf zum Gottesdienst in Syburg, gefolgt von einem Westhofener
Bürger, der ihm dort als „Vorsänger" half. Der wortgewandte
Prediger verfasste auch eine gedruckte Abhandlung über die Ortsgeschichte.
1883 trat Pfarrer Richard Falkenberg (Abb.) zum erstenmal vor die Westhofener
Gemeinde. In den letzten friedlichen Jahrzehnten des Kaiserreiches prägte
sich das Bild seiner Persönlichkeit unverlöschbar ein: seine mächtige
Predigerstimme und die überragende Gestalt.

Im 19. Jh. war die Armenpflege allein eine Aufgabe der Kirchengemeinde
und ihrer Armenprovisoren. Einige Namen von Kirchmeistern und Rendanten unseres
Jh. sind nochgut in Erinnerung: Heinrich Koch, Fritz Kogelheide (Rendant) und
Gustav Wilhelm Schneider. Als Gemeinschaft innerhalb der Kirchengemeinde
ist 1908 der „Christliche gemischte Chor Westhofen" gegründet
worden, der 1921 unter dem Namen „Kirchenchor" wiederauflebte. Im
ersten Kriegsjahr gründete der neue Pfarrer Friedrich Klinker (Abb.) die „Evangelische
Frauenhilfe". Der CVJM schloss sich hier 1920 zusammen, dessen Posaunenchor
1928. Alle Chorproben und Versammlungen - auch die eines 1914 gebildeten
Jungmädchenkreises - fanden anfangs im oberen Raum des ehemaligen Rathauses
am Kirchplatz statt. Allerdings probte man während der französischen
Besetzung (1923/24) im Pfarrhaus. Seit 1928 stand das Gemeindehaus zur Verfügung.
Der Beginn der 34jährigen Dienstzeit des Pfarrers Klinker in Westhofen
fiel in das erste Kriegsjahr 1914. Nach Jahren der Verunglimpfung wurde der
hochgebildete Mann der „Bekennenden Kirche" nach Eintritt der Waffenruhe
im Jahre 1945 als Bürgermeister eingesetzt. Abends erklang damals durch
die freudlosen Gassen sein Spiel auf dem Flügelhorn bei geöffnetem
Fenster.
Die in Westhofen, Holzen und Wandhofen wohnenden Nachkommen der zugezogenen
katholischen Christen wurden im 19. Jh. von der Schwerter Pfarrei betreut
- ebenso wie die aus den 3 östlichen Gebieten des politischen Amtes Westhofen,
denn Lichtendorf mit Overberge, Geisecke und Villigst mit Rheinen hatten nicht
nur kirchlich, sondern ursprünglich auch politisch zu Schwerte gehört.
1840 besagten die Grenzbeschreibungen, daß die Syburger Katholiken zu
Herdecke und daß die Garenfelder, - die später auch zur Schwerter
Gemeinde kamen -, zu Boele gehörten. Die römisch-katholische Gemeinde
Schwerte hat 1810 volle Pfarrechte erhalten. Sie wurde später Teil des
Dekanates Iserlohn. Unser Gebiet, im Mittelalter zum großen Erzbistum
Köln gehörend, wurde bald in das Bistum Paderborn eingefügt,
das 1930 zum Erzbistum erhoben wurde.
Alle Gläubigen der katholischen Gemeinde Schwerte gingen oder fuhren lange
Zeit zum Gottesdienst stets zu ihrer Marienkirche - an 3 verschiedene
Stellen: bis 1862 am „Hüsingtor", dann bis 1904 gleich nebenan
vor dem Hüsingtor (Abb. 73) und seitdem im neuen Gemeindezentrum.

Abb. 73
In der unruhigen Zeit des „Kulturkampfes" nach der Verkündigung
des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas war Eduard Senger († 1897/Abb.)
Pfarrer zu Schwerte. Nach den staatlichen Eingrenzungsversuchen gegenüber
der Tätigkeit der Kirche und ihrer Orden schlossen sich die deutschen
Katholiken um so fester zusammen.
Einige Jahre diente Johannes Henneke als Pastor, bevor Laurentius Schnurbus
(Abb.) von 1898 bis 1933 als Pfarrer in dieser Gemeinde wirkte. Unter diesem „baufreudigen
Herrn" entstanden die neue Kirche und das Pfarrhaus, die Kapellen in Lichtendorf
(1906) und Westhofen (1932) sowie Krankenhausanbauten. Er war sehr volkstümlich
und geschätzt bei Menschen beider Konfessionen. Seit 1919 stand ihm
ein zweiter Kaplan zur Seite. Im Jahre 1933 trat Pfarrer Aufenanger (Abb.)
seinen Dienst an. So erlebte er hier die Zeit der Regierung Hitler mit all
ihren Anfeindungen.

Die heutige Marienkirche in Schwerte ist seit ihrem Bau und ihrer Weihe (1904
bzw. 1906) mit dem 1900 erbauten Pfarrhaus Mittelpunkt der gesamten Gemeinde.
Seit 1905 wurde in Lichtendorf und seit 1922 auch in Westhofen, Holzen und
Geisecke die hl. Messe gelesen. In Lichtendorf entstand 1906 durch den Bau
der Kapelle das erste „Unterzentrum", das 1916 ein Pfarrhaus erhielt.
Durch den Abbruch der Straßenbahnlinie Schwerte-Westhofen war 1922 die
verkehrsmäßige Erleichterung für die Westhofener entfallen.
Schon bald fand ihr Gottesdienst in einem freien Büroraum des ehemaligen
Hotels statt, später im alten Rathaus („alte Schule"). Die
St.-Barbara-Kapelle am Hohlweg (Abb. 74) erhielt 1932 ihre Weihe. Sehr häufig
las dort Kaplan Kirchner aus Schwerte die Messe (t 1973 als Geistl. Rat). Der
Name des Gotteshauses erinnert an die heilige Barbara, die schon im Mittelalter
in der Syburger St.-Petrus-Kirche verehrt wurde.
Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand repräsentierten die Mitarbeit der
Laien vornehmlich in Vermögensangelegenheiten. Seit der Jahrhundertwende
regte sich die Vereinstätigkeit: der Kirchbauverein, der Gesellenverein
der „Kolping-Familie", die K. A. B. „St. Stephanus",
der Chorgesang und mit hilfsbereiten Frauen der „Elisabeth-Verein".
Schluss
Wie am Ende des Abschnitts über das politische Geschehen im Amt und in
der Stadt Westhofen zu erkennen war, soll das letzte Kriegsjahr 1945 unseren
Bericht abschließen. Wir sind uns gewiss darin einig, daß damals
am Ende und am Tiefpunkt jener nationalen Katastrophe ein Einschnitt von außergewöhnlicher
Bedeutung zu erkennen ist. Einig sind wir auch in der Hoffnung, daß unser
Land niemals wieder so in den Bereich des tödlichen Abgrundes gestoßen
wird.
Nach Jahren von Not und Hunger folgte, wie wir wissen, die Zeit des Wiederaufbaus.
Darüber zu berichten, sollte späteren Arbeiten vorbehalten sein.

WESTHOFEN - REICHSHOF UND FREIHEIT - STADT UND AMT
Zahlen und Ereignisse aus 12 Jahrhunderten
775 |
Eroberung der altsächsischen Syburg durch Karl den Großen. In der Folgezeit
Schaffung des “kaiserlich freien Reichshofes Westhofen”. Er wird Verwaltungs-
und Wirtschaftseinheit. Seine Fläche (einschl. Syburg, Holzen, Wandhofen
und Garenfeld) wird als “Veste Hove” selbständiger Schutz- und Verteidigungsbereich.
Syburg wird das Kirchenzentrum. |
804 |
St.-Ägidius-Kapelle bei Syburg, später in Westhofen erwiesen. |
1255 |
Erste sichere urkundliche Nennung Westhofens. Graf Engelbert v. d.
Mark zweigt Einkünfte aus “curtis nostre Westhoven” ab. |
1300 |
Eingliederung des Reichshofes in das Gebiet des Grafen Eberhard von
der Mark und in das Amt Wetter. |
Um 1324 |
Die Rechte einer “Freiheit” erhält das Dorf Westhofen durch den Grafen
Engelbert II. von der Mark. Die Bauern werden nun zu Bürgern und einer
wird Bürgermeister. Tore, Gräben und Mauern umschließen bald das Wohngebiet,
dessen Grenzen einen Halbkreis bilden, denn sie verlaufen außen um unsere
Reichshof- und Niederstraße. Die Bürger der stadtähnlichen “Freiheit” gründen
die 3 Nachbarschaften, die wehrfähigen Männer die Bürgerwehr der Schützen. |
1387 |
Richter und Gericht werden wieder in Westhofen nachgewiesen. Aber 1461
Zusammenlegung mit dem Gerichtsbezirk Schwerte. |
1428 |
erfolgt Eingliederung in die Renteiverwaltung des Amtes Hörde. |
1458 |
Die Ruhr durchbricht ihr Ufer an der Ergster Grenze und gräbt sich
800 m nördlich ihren neuen Kurs. |
1486 |
40 Steuerzahler werden in der Freiheit genannt, 35 sind davon zahlungsfähig. |
1550 |
Die Reformation hat sich höchstwahrscheinlich in Westhofen durchgesetzt. |
1582 |
Beginn des Kohle-Bergbaues hinter dem Dorf Syburg auf der Reichsmark. |
1591 |
Die Bürgerschaft der Freiheit kauft die Westhofener Privatkapelle. |
1598 |
Ein Großbrand zerstört 85 von 96 Bürgerhäusern. |
1609 |
Westhofen wird mit der Grafschaft Mark an das Herzogtum Preußen angeschlossen,
dieses wird 1701 Königreich. |
1640 |
Erster Nachweis eines Lehrers. |
1708 |
Die größte Feuersbrunst, die nur jedes 20. Haus verschont. Schon 1722
beim nächsten Brand bleibt nur jedes 5. Haus ohne Schaden. |
1709 |
Die Kirche erhält den neuen Turm. |
1710 |
Die Schützen erstellen ein neues Schützenbuch, das alte war 1708 verbrannt,
in welchem sie ihre alten Regularien niederschreiben. |
1719 |
Ruhrbruch bei Geisecke, Hauptlauf jetzt bei Villigst. |
1723 |
Die Freiheit verliert ihr demokratisches Recht der Bürgermeisterwahl. |
1753 |
Zuteilung zum Kreis Hamm löst die Ämterverfassung ab. |
1761 |
Hartes Gefecht am 3. Juli im Siebenjährigen Krieg an der Ruhrbrücke.
Die verbündeten Preußen, Hannoveraner und Engländer zerstören den französischen
Nachschub. |
1806 |
Offizielle Auflösung des Reichshofes. |
1807 |
Verlust des Bürgermeisteramtes unter Napoleon. Das gesamte ehemalige
Reichshofgebiet wird Schwerte zugeordnet. |
1814 |
Das alte Rathaus wird Schule. |
1816 |
Werksbetrieb der Tuchweberei Nettmann mit 120 Beschäftigten. Aufstellung
von Maschinen. |
1830 |
Wirtschaftlicher Rückschlag und Verlegung nach Elsey, dort heute noch
bekannt: Nettmansche Villa (mittlerweile abgerissen, Nettmanscher Graben) |
1834 |
Gründung des Sängerchores “Eintracht”. Ältester Verein Westhofens. |
1835 |
Einweihung des neuen Kirchengebäudes. |
1838 |
Entstehung des Amtes Westhofen im Kreis Dortmund (von 1816). |
1846 |
Straße Schwerte - Westhofen - Eckesey wurde jetzt chausseemäßig ausgebaut.
Anschluss an die Personenpost Hagen - Schwerte. |
1850 |
Gründung der Glockengießerei Rincker, 1855 Werkstätte. |
1853 |
Gründung der gemeinsamen Sparkasse in Schwerte. |
1872 |
Fertigstellung des Bahnhofes Westhofen an der seit 1867 betriebenen
Eisenbahnstrecke. |
1873 |
Die spätere “Wittekind-Brauerei” ersetzt einen bestehenden kleineren
Betrieb |
1875 |
Die zwei ältesten Räume der heutigen Schule werden bezogen. |
1881 |
Das erste Postamt wird eröffnet, 3 Jahre nach erstem Telegrafen- und
Telefonbetrieb. |
1883 |
Gründung von “Teutonia”, des ältesten Westhofener Turnvereins. |
1887 |
Amt Westhofen kommt zum Kreis Hörde. |
1889 |
Bevölkerungszuwachs der Stadt seit 36 Jahren: 61 % (von 1073 auf 1729). |
1895 |
Entstehung der “Turn-, Sport- und Feuerwehrgerätefabrik”,
aus der sich später die Stahlwerke Brüninghaus entwickeln. |
1897 |
Westhofen und Syburg werden als Kirchengemeinde getrennt. |
1901 |
Gründung der “Ringofen-Dampfziegelei” beim größten Sandsteinbruch. |
1902 |
Errichtung eines kleinen Wasserwerkes für Westhofen. |
1902 |
Die Straßenbahn der Hörder Kreisbahn beginnt ihre Fahrten (mit Westhofener
Strom) von Schwerte über Westhofen nach Syburg. Dort wird 1903 die Bergbahn
angeschlossen, was die Besuche des noch neuen Kaiser Wilhelm-Denkmals
erleichtert. |
1908 |
Gründung der Baubeschlägefabrik Borggräfe. Aus ihr entstanden die “Wittekindwerke” und
dann “Brüninghaus/Werk Ost”. |
1913 |
Ein größeres Wasserwerk löst das kleine ab. |
1918 |
Die Schwerter Sparkasse eröffnet ihre Westhofener Nebenstelle. |
1919 |
Der Fußball- “Verein für Bewegungsspiele” wird gegründet. |
1923 |
Inbetriebnahme des Turbinen-Wasserkraftwerkes. |
1928 |
Gasversorgung wird ermöglicht, die Ruhrbrücke in Beton vollendet. |
1928 |
Der Hengsteysee wurde fertiggestellt, die Talbrücke und Seebrücke folgen
bis 1930. |
1929 |
Die Gemeinde Syburg kommt zu Dortmund, das übrige Amt zum Kreis Iserlohn. |
1932 |
Einweihung der katholischen Barbara-Kapelle. |
1954 |
Einweihung der katholischen Peters-Kirche. |
1956 |
Die Turnhalle Wasserstrasse wird eingeweiht. |
1961 |
Die durchgehende BAB-Strecke Leverkusen – Kamen (Ruhrtangente,
A1) wurde dem Verkehr übergeben, ca. 5 Jahre später wird die
Sauerlandlinie über
das “Westhofener Kreuz” geführt. |
1975 |
Anschluss der Stadt und des Amtes Westhofen an die Stadt Schwerte.
Zugleich Einfügung dieser auch um Ergste vergrößerten Stadt in den Kreis
Unna.
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